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Bertold Brecht in Saint-Cyr

 

 

 

 

 

Der Schriftsteller Bertolt Brecht (geboren 1898 in Augsburg/gestorben 1956 in Ostberlin) hat sich in den zwanziger und dreißiger Jahren wiederholt an der Cote d'Azur aufgehalten.

Im Kleingedruckten der Literaturgeschichte verfestigte sich das Gerücht, an seinem Hauptwerk, der Dreigroschenoper, habe er zuletzt in Le Lavandou im Departement Var gefeilt.

Es fehlten hierfür jedoch schlüssige Beweise. Zahlreiche Ungereimtheiten und Widersprüche ließen vielmehr immer wieder neue Zweifel aufkommen. Letzte Recherchen ergaben jetzt eindeutig, dass Brecht und die Seinen der "opera de quat' sous" wie sie hier zu Lande heißt - 1928 in St. Cyr (zwischen La Ciotat und Bandol) den letzten Schliff gaben.

In Le Lavandou selbst hielt sich der Dichter erst später, zu längeren Arbeitsurlauben auf: Vom 24. Mai bis Ende Juli 1930 im Hotel Mar Bello (heute Residence Mar Bello 17, avenue lere DLF) und vom 15. Mai bis 18. Juni 1931 im Hotel de Provence (heute Boutiquenzentrum La Meridienne, Place Hippolyte Adam).

Geselliger Treffpunkt von Brecht und seinen Freunden war in Le Lavandou das Cafe du Centre, das heute unter dem Namen Brasserie du Centre am Place Reyer geführt wird.

Brecht, bis heute einer der international meist gespielten deutschen Klassiker, ist 1928, als er nach Recherchen des Verfassers im Mai/Juni in der Hostellerie de la Plage in St. Cyr aux Lecques (Boulevard de la Plage) an den letzten Zeilen der Dreigroschenoper arbeitete, zum ersten Mal an der Cote d'Azur. Mit von der Partie sind seine künftige Frau Helene Weigel (Heirat 1929), der Komponist Kurt Weill und dessen spätere Frau, die Schauspielerin und Sängerin Lotte Lenya (Heirat 1930). Am 28. August 1928 wird die Bettleroper am Schiftbauerdamm- Theater in Berlin uraufgeführt.

Ende Mai 1930 kommt Brecht erstmalig nach Le Lavandou. Er bleibt gut zwei Monate und trifft sich hier mit Freunden und Kollegen. Sie wohnen und arbeiten im Hotel Mar Bello. In seiner Begleitung befinden sich seine langjährige rechte Hand und frühere Geliebte Elisabeth Hauptmann sowie sein Mitarbeiter Emil Hesse-Burri.

Außerdem sind die frisch vermählten Kurt Weill und Lotte Lenya sowie die Dichter Walter Benjamin und Bernhard von Brentano dabei. Wie bei Brecht üblich, wird viel diskutiert und kollektiv gearbeitet - hauptsächlich an der Heiligen Johanna der Schlachthöfe. Mit Die Ausnahme und die Regel kommt Brecht noch nicht recht weiter. Nach seinen eigenen Worten ist Le Lavandou zum dauerhaften intensiven Arbeiten "zu südlichbabylonisch". Manager der Nero-Film AG Berlin erscheinen in Le Lavandou und verhandeln mit Brecht über einen Vertrag zur Verfilmung der Dreigroschenoper.

1931 wohnen Brecht, Kurt Weill und Lotte Lenya über einen Monat im Hotel de Provence. Hauptmann, Hesse-Burri und Brentano sind wieder im Mar Bello untergeschlüpft. Später stoßen auch Walter Benjamin, Bernhard von Brentano und die damals sehr bekannte Schauspielerin Carola Neher dazu, mit der Brecht ebenfalls eine Affare hat. Gearbeitet wird an dem Film Kuhle Wampe und noch immer an dem Lehrstück Die Ausnahme und die Regel (Premiere 1933): Abends finden lebhafte Theoriediskussionen über Klassengesellschaft und Episches Theater statt.

Über sich und Le Lavandou schreibt Brecht ein Nonsense-Gedicht (Brecht und die alten Mauren) sowie eine Geschichte über einen neapolitanischen Straßensänger, den er in Le Lavandou beobachtet hatte.

Außerdem verfasst er für seinen 1924 geborenen Sohn Stefan (Mutter: Helene Weigel) ein langes Lehrgedicht über den Fisch Fasch.

Unmittelbar nach dem Reichstagsbrand Ende Februar 1933 verlassen Brecht, Weigel und Sohn Stefan endgültig Nazi-Deutschland.

Der jüdische Komponist Kurt Weill, der neben der Dreigroschenoper auch Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny vertonte, flieht 1933 zunächst nach Paris.

An seiner Seite ist Lotte Lenya (1898 - 1981), die in der Dreigroschenoper als Seeräuber-Jenny den künstlerischen Durchbruch schaffte.

Die Schauspielerin Helene Weigel, Brechts "Hauptfrau", spielt 1932 die Mutter Courage in Brechts gleichnamigen Stück nach Gorkij.

1933 geht sie mit Brecht ins Exil. 1948 kehrt sie mit Brecht aus Hollywood zurück. Bis zu ihrem Tod leitet sie das von Brecht und ihr gemeinsam gegründete Berliner Ensemble.

Die Schriftstellerin und Dramaturgin Elisabeth Hauptmann, die 1943 Paul Dessau heiratete, versorgte Brecht seit 1924 mit wichtigen Grundlagen-Stoffen für dessen Stücke. Sie entdeckt auch John Gays Beggar s Opera von 1728, übersetzt den Text und legt ihn Brecht ans Herz. Ohne Hauptmann gäbe es folglich keine Dreigroschenoper.

Noch 1997 liefert das Gespann Brecht J Hauptmann international Schlagzeilen. Der US-Literaturwissenschaftler Prof. John Fuegi wirft die Frage nach der sexuellen Hörigkeit auf, dem Brechts Mitarbeiterinnen ausgesetzt gewesen seien.

Die Wochenzeitschrift DIE ZEIT kommentierte: "Selbst, wenn es wahr ist, dass die Dreigroschenoper fast vollständig und andere Stücke hauptsächlich aus der Schreibmaschine von Elisabeth Hauptmann stammen, so ist es doch auch wahr, dass sie ohne Brechts antreiberische Energie nie zu Stande gekommen wären."

Ein Hamburger Rechtsanwalt erhebt schließlich im Namen von einigen Hauptmann-Erben Anspruch auf Tantiemen. Ein Urteil ist bis heute nicht ergangen.