Berichte über Albi
Goldfische im Wasserglas
Henri de Toulouse-Lautrec war nicht nur Maler, sondern auch Koch. An beides erinnert seine Heimatstadt Albi in seinem 100. Todesjahr
Von Tanja Kuchenbecker
Wenn in der Wasserkaraffe des Hotelrestaurants "Mercure" im südfranzösischen Albi ein Goldfisch schwimmt, dann hat das schon seine Richtigkeit. Trotzdem zuckt mancher Gast zurück und schenkt sich lieber aus der Rotweinflasche daneben ein. Ganz im Sinne von Henri de Toulouse-Lautrec (24. 11. 1864 - 9. 9. 1901). Der Maler und leidenschaftliche Koch sagte immer: "Zum Essen wird Wein getrunken. Wasser ist für Goldfische da." Deshalb stellte er bei Essen, zu denen er einlud, immer eine Karaffe mit einem Fisch auf den Tisch.
Wer zu seinem 100. Todestag auf den Spuren von Toulouse-Lautrec wandeln möchte, findet in seiner Geburtsstadt Albi, 80 Kilometer nördlich von Toulouse, neben den legendären Goldfischen in neun Restaurants Menüs, die der Maler oft kochte: Zum Beispiel "Künstliche Hasenpastete" (aus Kalbsfleisch und Schwein) als Vorspeise und panierte Muscheln mit Speckwürfeln am Spieß als Hauptgericht.
Die Reise auf den Spuren von Toulouse-Lautrec beginnt man am besten an seinem Geburtshaus "Hotel du Bosc", Rue du Toulouse-Lautrec 14. In dem Stadtpalast (kann nicht besichtigt werden) wohnt noch eine entfernte Verwandte des Malers. Als Toulouse-Lautrec zwölf Jahre alt war, kam es hier zu dem Ereignis, das sein Leben bestimmen sollte: Er stürzte und brach sich ein Bein. Danach wuchs er kaum noch und brachte es als Erwachsener nur auf 1,52 Meter. Toulouse-Lautrec suchte Trost in der Malerei. "Vielleicht wäre ich nie Maler geworden, wenn ich längere Beine gehabt hätte", soll er gesagt haben.
Eine andere Nachfahrin des Malers, die Enkelin eines Cousins von Toulouse-Lautrec, wohnt in Naucelle 45 Kilometer nördlich von Albi im "Château du Bosc". Dort verbrachte Toulouse-Lautrec seine Ferien. Die jetzige Bewohnerin des Schlosses, Nicole Berangère Tapié de Celeyran, hat ihr Leben ganz Toulouse-Lautrec gewidmet: "Er war ein sehr erfinderischer Mensch, voller Humor und Ironie", sagt die 76-Jährige, die jeden Tag Besucher durch die mittelalterliche Festung mit den 60 Zimmern führt. "Hier war er wirklich glücklich", erzählt sie. In den Wäldern um das Schloss ritt Henri de Toulouse-Lautrec aus und ging auf Jagd.
Die alte Dame führt beigeistert durch Wohnzimmer, Schlafzimmer, Bibliothek und Esszimmer des Schlosses. "Das Esszimmer sieht noch genauso aus, wie zu Zeiten des Malers", sagt Tapié de Celeyran. Auf einem großen Holztisch stehen genau die Blumentassen, aus denen Toulouse-Lautrec trank.
Sehenswert ist auch das kleine Privatmuseum mit Werken des Malers, die noch nicht auf großen Ausstellungen gezeigt wurden. In zwei Sälen finden sich Zirkuszeichnungen, die er kurz vor seinem Tod anfertigte. Aber auch seine ersten Entwürfe sind zu sehen. Schon mit sechs Jahren malte er Kühe und Pferde in erstaunlicher Perfektion. Zeichnungen, die er als 15-Jähriger schuf, stellen Pferde in Bewegung dar und weisen schon auf sein späteres Werk hin. Nichts in der Privatsammlung erinnert allerdings an die Zeit in Paris, durch die Toulouse-Lautrec weltweit berühmt wurde.
Als er acht Jahre alt war, zog seine Mutter mit ihm in die Metropole, zu seinem Vater hatte er wenig Kontakt. In Paris entdeckte Toulouse-Lautrec dann als junger Mann die Welt der Bordelle, Kabaretts und des Moulin-Rouge. Er wohnte zeitweise sogar in den Freudenhäusern des Künstlerviertels Montmartre, wo er sich seine Motive suchte.
Viele Werke von Toulouse-Lautrec aus dieser Zeit finden sich im Museum in Albi. Es ist eine beeindruckende Sammlung mit über 1000 Werken, die in einem erzbischöflichen Palast aus dem 13. Jahrhundert untergebracht ist. Dazu gehören Bilder aus Toulouse-Lautrecs Jugend, aber auch berühmte Plakate wie "La Goulue" und "Aristide Bruant", die er im Auftrag von Kabaretts in Paris anfertigte.
Aber nicht nur die genannten Orte erinnern an Toulouse-Lautrec. Überall in Albi und Umgebung finden sich Erinnerungen an den Künstler. Restaurants tragen seinen Namen wie das gegenüber seinem Geburtshaus. Kuchen werden nach ihm benannt, Weinflaschen des regionalen Gaillac-Weines tragen Etiketten mit Bildern von Toulouse-Lautrec. In diesem Jahr werden es sicher noch einige mehr.
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