Sehenswertes in Avignon
Villeneuve-lès-Avignon
Wie eine natürliche Ergänzung zur Stadt des Päpste erhebt sich auf dem rechten Rhoneufer die kleine mittelalterliche Stadt Villeneuve-les-Avignon.
Ihre Entstehung geht auf das Benediktinerkloster St. Andre zurück, das im 10. Jahrhundert auf einer Anhöhe names Mont Andaon gegründet wurde.
Noch im Mittelalter bildete diese Erhebung eine Insel, da sie von einem Arm der Rhone umschlossen war, der später jedoch versandete. Im Jahre 1292 beschloß Philipp der Schöne, der die strategische Bedeutung dieses Ortes wohl erkannt hatte, hier eine neue Stadt zu gründen, eben «villeneuve», die als Eckpfeiler der kapetingischen Monarchie ein Gegengewicht zu Avignon bilden sollte, der Hochburg des Imperiums und der späteren Papststadt.
Die Rhone einte und teilte zugleich die beiden gegenüberliegenden Städte, deren angeborene Rivalität bisweilen groteske Züge annahm: kurz nach dem Kreuzzug gegen die Albigeser verlangte der König von Frankreich, Herr über Villeneuve und den ganzen Fluß, von den Bürgern Avignons eine Gebietssteuer, sobald der Fluß über die Ufer trat und die tiefer gelegenen Teile Avignons überschwemmte.
Die Ankunft der Päpste in Avignon bringt auch für Villeneuve einen neuen Impuls: jene Kardinale, die in der Papststadt keinen geeigneten Wohnsitz fanden, schauten sich in der «Peripherie» um; sie überquerten den Fluß über die Brücke und gelangten so nach Villeneuve, wo in kurzer Zeit 15 prächtige Kardinalsresidenzen, die sogenannten «livrees» entstanden.
Die blühende Entwicklung der Stadt dauerte auch nach der Rückkehr des Papsttums nach Rom noch lange Zeit an. Erst die Französische Revolution setzte dem klerikalen und aristokratischen Reichtum, der das Leben Villeneuves Jahrhunderte lang geprägt hatte, ein abruptes Ende.
Die Spuren dieser glanzvollen Vergangenheit treten jedoch noch überall vor Augen. Unübersehbar ist vor allem der mächtige Turm Philipps des Schönen, der im Jahre 1302 am rechten Brückenkopf des Pont St. Benezet errichtet wurde.
Der 32 Meter hohe Turm gehörte zu einer kleinen Burg, die einst den Brückenzugang bewachte. Das zweite Stockwerk und der kleine Wachtturm entstanden im Laufe des 14. Jahrhunderts.
Von oben hat man einen herrlichen Blick auf den Fluß und die «Stadt der Päpste», die ihrerseits auf die «Stadt der Kardinale» blickt. Ein weiteres eindrucksvolles Panorama bietet sich dem Besucher vom Fort St-Andre, einer kleinen, in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts von Jean le Bon und Karl V. erbauten Festung.
Das Innere der ganz von einem zinnenbesetzten Mauerring umschlossenen Burg erreicht man durch einen imposanten Torbau mit zwei mächtigen Zwillingstürmen von 1362, die eindeutig an den Wehrbauten Nordeuropas inspiriert sind und heute als eines der schönsten Beispiele mittelalterlichen Festungsbaus gelten.
Die prunkvolle Residenz des Kardinals Arnaud de Via hingegen wurde 1333 in eine Stiftskirche umgewandelt, die heute als Pfarrkirche dient.
Die mächtige, quadratische Apsis entstand in den Jahren 1344 - 55 und wurde aus einem Turm der ehemaligen Kardinalsresidenz gewonnen, der mit Zinnen und anmutigen gotischen Zwillingsfenstern versehen war.
Der einschiffige Innenraum der Kirche birgt in der Sakristei ein kleines Kunstwerk von seltener Schönheit: eine Madonnenfigur aus bemaltem Elfenbein.
Die kostbare Statuette ist ein Meisterwerk der französischen Bildhauerkunst des 14. Jahrhunderts, in dem deutlich der Übergang von der strengen Formgebung der Gotik zu den mehr manieristischen Gestaltungsweisen der anbrechenden Renaissance spürbar wird.
|