Bayonne
 
 
 
Paris
Burgund
Tal der Loire
Alpen
Wandern
Bücher Fotos
Hotel
Ferienhaus
Mietwagen
Flüge
Pauschalreisen
Reisepartner
 
 
 

 

Schokolade in Bayonne

 

 

 

 

Frankreich-Urlauber können am 30. und 31. Mai die Schokoladentage in Bayonne besuchen.

Die Geschichte der Schokoladenproduktion in der Stadt in Aquitanien können sie bei einer speziellen Stadtbesichtigung kennen lernen und den Chocolatiers bei der Herstellung zuschauen. Und in einer "Schokoladenwerkstatt" sind Kreationen wie ein Schoko-Blumenstrauß zu sehen.

Bayonne spielt auch in der modernen Geschichte der Schokoladenherstellung eine besondere Rolle. Im Jahre 1780 wurde hier erstmals Schokolade fabrikmaessig hergestellt.

 

Merci pour le chocolat

Geschichte und Gegenwart der Schokolade in Frankreich

Süssmäuler wissen es: Frankreich produziert zurzeit von der besten Schokolade. Die Akzentverschiebung vom Süssen, Fetten, Milchigen zum Kräftig-Runden, Nuancenreichen, hochprozentig Kakaohaltigen hat vor etwa zwanzig Jahren eingesetzt.

Doch blickt der «Nectar des Indes» auch in Frankreich auf eine lange Geschichte zurück.

Von Marc Zitzmann

War die Marquise de Sévigné «schokophil»? Gewiss, heute trägt ein französischer Chocolatier den Namen der grossen Epistolarin - aber wie verhielt es sich damals, um 1670, als die (Trink-) Schokolade der gallischen Elite Stoff für ähnlich müssige Debatten lieferte wie heute die Frage nach dem Rang der Grande Nation oder nach dem Intelligenzquotienten von George W. Bush?

Die Briefe der Marquise - für die Rezeptionsgeschichte von Kakaoprodukten in Frankreich eine nicht umgehbare Quelle - zeugen von einem äusserst ambivalenten Verhältnis.

Im Februar 1671 empfiehlt sie ihrer Tochter das Getränk noch als ein Remedium gegen Schlaflosigkeit.» Im Januar 1972 schliesslich der Rat an die Tochter, «Schokolade zu nehmen, auf dass ihr die ärgste Gesellschaft angenehm erscheine».

Süssmäulige Infantinnen
Wann der erste Franzose in Berührung mit Kakao gekommen ist, wissen wir nicht. Der erste Europäer war jedenfalls Christoph Kolumbus, dem vor genau 500 Jahren, Ende Juli 1502, Eingeborene vor der Küste von Guanaja Bohnen überreichten. Genauso wenig wie den Weg nach Indien vermochte der glücklose Seefahrer freilich die geschmacklichen Tugenden dieser «Art Mandel» zu entdecken - das blieb zwanzig Jahre später Hernán Cortés und seiner Rotte von Brandschatzern überlassen. Über (Neu-)Spanien gelangt die Schokolade nach Frankreich.

Jeden Montag, Mittwoch und Donnerstag wird das Modegetränk in den Salons von Versailles serviert; das Amt der «Chocolatière de la reine» ist hoch begehrt.

1671 gibt Philippe Sylvestre in einem Buch « das Rezept des «Chocolat à la française». Statt den Trank mit allerlei Gewürzen zu überfrachten, empfiehlt der Autor eine schlichte Präparation aus Wasser, Kakaomasse, etwas Zimt und Zucker.

1680 findet das Wort erstmals Eingang in ein Wörterbuch: den «Dictionnaire français contenant les mots et les choses» von Richelet. Vom - relativen - Durchbruch des exotischen Produkts zeugt im Folgejahr das erwachte Interesse des Fiskus. Populär ist es deswegen noch lange nicht. - noch 1768 schreibt ein Memorialist: «Les Grands en prennent quelquefois, les vieux souvent, le peuple jamais.»

Besagte Grands sind lange Zeit gespalten in «Chocolatphiles» und «Chocolatphobes».

Wie bei Madame de Sévigné zu sehen, sind Parteiwechsel binnen kürzester Zeit möglich.

Drei Jahre später rühmt Nicolas Blégny in einem Werk das Kakaoprodukt als ein Mittel gegen Schnupfen und Lungenentzündung, gegen Erbrechen und «Gallenkoliken», gegen Durchfall, die Ruhr und den «colera morbus» - eine wahre Wundermedizin!

Der Contra-Partei dagegen gilt Schokolade als ein gesundheitsschädliches und überdies unchristliches, weil das Fastengebot unterlaufendes Nahrungsmittel.

In einer Zeit, in der jedes exotische Produkt einmal als Aphrodisiakum gilt - sogar die Kartoffel! -, verwundert es kaum, dass die von ihrem Liebhaber Louis XV als «kalte Trauerente» geschmähte Madame de Pompadour sich ein stärkendes Menu aus Selleriesuppe mit Trüffeln und heisser Schokolade servieren lässt; dass die unersättliche Madame du Barry das Feuer ihrer Bettgenossen mit dem «Nectar des Indes» wieder anfacht; dass einschlägige Autoren wie Casanova und de Sade für diesen schwärmen.

Probieren und vergleichen!
Der kalte, rationalistische Blick des Zeitalters der Industrialisierung schimmert in diesem Urteil schon durch. Die erste mechanisierte «Fabrik» wird 1780 in der Schokoladenhochburg Bayonne eröffnet.

1819 präsentiert François Pelletier in Paris eine Dampfpumpe, die innerhalb zwölf Stunden 75 Kilogramm Schokolade herstellen kann.

Je nach Mode wird die Kakaomasse mit Tapioka, Pfeilwurz oder gar Rindfleischpulver versetzt und als «Chocolat hygiénique» oder «analeptique» verkauft.

Die im Jahr 1800 von einem Apotheker gegründete Firma Debauve & Gallais schlägt mit grossem Erfolg in diese therapeutische Kerbe; noch heute ähnelt die Stammboutique in der Pariser Rue des Saint-Pères einem putzigen Pillenlädchen für Prinzessinnen auf der Erbse. Ob die damaligen Produkte wirklich so gesund waren? Lange Zeit wurde Schokolade gestreckt mit Substanzen wie Mehl, Reis, Linsen, Erbsen, Eigelb, Gummiharz, Kartoffelstärke, Lamm- oder Kalbstalg.

Eine Tafel aus dem 19. Jahrhundert käme uns heute wohl unappetitlich körnig und ranzig vor. Mit zunehmender Verfügbarkeit und Qualität der Ingredienzien steigt allerdings auch der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch stark an: von 312 Gramm im Jahr 1889 auf 880 Gramm fünfzehn Jahre später.

Im 20. Jahrhundert geht das Produkt dann den Weg so ziemlich aller Nahrungsmittel - Vermassung und Standardisierung -, und der vorliegende Artikel hätte kaum eine Berechtigung, wenn nicht um 1980 eine «Nouvelle vague chocolatée» eingesetzt hätte.

Pioniere wie die Pariser Michel Chaudun, Christian Constant, Robert Linxe und Michel Richart beginnen da, Produkte zu kreieren, die qualitativ hochwertig sind und zugleich «innovativ» - im Sinne einer dezidierten Absetzung von der grossen Tradition, wie sie etwa der 1999 verstorbene Maurice Bernachon verkörperte. Bernachon war einer der Letzten, die ihre Kakaobohnen noch selber verarbeiteten - heute tut das die Industrie, mit zum Teil überragendem Ergebnis.

Schokolade aus dem Hause Bernachon in Lyon ist bodenständig und ein wenig rustikal, die der neuen Pioniere hingegen nuancenreich und kakaohaltiger als bis anhin gewohnt.

Zwei Hauptmerkmale kennzeichnen ihr heutiges Schaffen und das ihrer begabtesten Kollegen in der Provinz - von Gérard Bannwarth in Mülhausen über Frédéric Jouvaud in Avignon bis zu Jean-Dominique Gelle im Skiort La Clusaz. Zum einen werden nur die allerbesten Ingredienzien verwendet.

So arbeitet Edouard Hirsinger in Arbois mit Milch und Rahm aus der lokalen Kooperative: Die Kühe in dieser Juragegend werden nur mit Heu und Frischgras gefüttert.

Henri Le Roux in Quiberon lässt seine Mandeln aus der Provence und aus Valencia kommen, die Haselnüsse aus dem Piemont, die Walnüsse aus dem Dauphiné; Jean-Paul Hévin in Paris erhält während unseres Gesprächs feinste Echiré-Butter geliefert - und so weiter.

Vor allem jedoch verwenden die Chocolatiers Spitzenbohnen, deren Herkunft sich in den Namen vieler Tafeln widerspiegelt: Caracas, Chuao, Colombie, Ecuador, Guana, Java, Madagascar, Maracaibo, São Tomé, Venezuela . . . Robert Linxe von der Maison du chocolat bietet z. B. eine Schachtel mit fünf verschiedenen Bonbons (das Wort «Bonbon» bezeichnet hier die deutsche «Praline»; eine «Praline» ist im Französischen eine caramelumhüllte Mandel), die quasi in nuce verschiedene Kakaovarietäten zu kosten erlauben, vom fruchtigen Ghana bis zum subtilen Trinidad.

Kenner vermögen zwischen den einzelnen Sorten zu differenzieren, die entweder allein - als «Chocolat de pure origine» - oder gemischt - als «Chocolat d'assemblage» - verkauft werden.

 

Zichorie und Bienenkittharz
Das zweite Hauptmerkmal der französischen Chocolatiers ist ihre Experimentierlust.

Zu diesem gesellt sich jedoch die französische Phantasie. Was gibt es da nicht alles für Kombinationen! Michel Chaudun bietet «Pâte de truffe» (eine langsam auf der Zunge zergehende Mischung aus Couverture und Rahm, meist «Ganache» genannt) mit Basilikum oder Pfeffer.

Christian Constant verwendet Zimt, Kardamom und Ylang-Ylang; Thierry Mulhaupt in Strassburg Tonka-Nuss und Safran; Michel Belin in Albi Anis, Zichorie und Havannazigarren. Vertreter der jüngsten Generation schrecken nicht einmal zurück vor Oliven, Algen oder einer Mischung aus Stutenmilch und Propolis (Bienenkittharz) - gegen kreative Exzesse ist man da nicht immer gefeit.

Jean-Paul Hévin präsentiert «Chocolats dynamiques» mit Cola-Nuss oder (angeblich potenzsteigerndem) «Bois bandé», die fruchtig im Gaumen prickeln, und zum Apéritif schokoladenumhüllte Häppchen mit einer Füllung aus Kakaobutter und den Käsesorten Chèvre, Epoisse, Pont-l'Evêque und Roquefort.

Hirsinger beeindruckt mit einem bitteren Mandelpraliné, einer Mandel-Nuss-Curry-Füllung und einer Limettenganache mit Koriandernougatine. Le Roux bietet «Truffes de truffes» mit echten Trüffeln und von seinem Schwiegersohn Eric Sampietro kreierte Steinpilz-Florentiner; dazu ein herrliches Bonbon mit salzigem Buttercaramel, eine Ganache mit Buchweizen und eine andere mit Szetschuan-Pfeffer.

Und bei Linxe, dem wohl begnadetsten Schöpfer in Frankreich, gibt es seit wenigen Tagen Bonbons mit Sauternes- und Pauillac-Ganache, zwischen denen eine nuancenreiche Mischung aus Jamaica und Venezuela zu verzehren ist - ein unglaublich vielschichtiges, ausbalanciertes Triptychon.

Was ist besonders an französischer Spitzenschokolade? Oft heisst es, sie sei bitter. Eine Zeitlang florierte tatsächlich die Mode der Extra-Bitter-Tafeln - dabei ist ein hoher Kakaogehalt weder gleichbedeutend mit Bitterkeit noch mit Qualität. Auf die Güte der Bohnen und auf das Feingefühl bei der Verarbeitung kommt es an.

Jean Colanéri, der Generalsekretär des Klubs und frühere Direktor der Chambre syndicale nationale des Chocolatiers, bedauert allerdings, dass es nach jahrzehntelangen Verhandlungen ab nächstem August auf Grund einer EU-Direktive möglich sein wird, die Kakaobutter in Höhe von maximal fünf Prozent des Gesamtgewichts der fertigen Schokolade durch andere Pflanzenfette zu ersetzen. Doch statt auf vergangenheitsselige Rückzugsgefechte konzentriert er sich lieber auf die Zukunft: etwa auf die Einführung klarer Aufschriften zur Verbraucherinformation.

croqueurschocolat.com