Allgemeines zu Corbara
Corbara
Hier ist das Herz der Balagne. Bevor I'le-Rousse gegründet wurde, und noch im Lauf des 19. Jahrhunderts spielte Corbara die Rolle einer Provinzhauptstadt.
Seine zentrale Lage, die Macht seiner Oberherren, der Reichtum einiger großer Familien und das Ansehen seines Klosters erklären diese Vorrangstellung. Die Balagne ist eine sehr abgesonderte Gegend. Von der übrigen Insel durch eine unübersteigbare Bergkette und die Einöde der Macchia getrennt, war sie und ist sie dem Meer gegenüber geöffnet, was den Bewohnern einige Unannehmlichkeiten mit den Piraten jeden Schlages eintrug, aber was auch den Handel begünstigt, dies um so mehr, als dieses Gebiet gut besiedelt und fruchtbar ist.
Ein Zusammentreffen günstiger geographischer und klimatischer Bedingungen hat eine glückliche Entwicklung und ein Gleichgewicht ermöglicht, wie man es auf Korsika selten findet.
Die Erde ist von gut bewässerten Tälern und von leicht überwindbaren Höhenzügen durchzogen. Die empfindlichen Kulturen liegen vor ausdörrenden Winden geschützt in den Geländesenken. Feuchtigkeit von See her, die auf so kurze Entfernung vom Ufer noch wirksam ist, eine mittlere Höhenlage von 300 bis 500 m, auf der die Vegetation gedeiht, ständige und niemals zu heiße Sonneneinstrahlung sind die anderen Elemente, die zur Entwicklung der Mandel-, Oliven- und Feigenbäume beitragen.
Die Zitronen- und Orangenbäume, die in der Tiefe der Täler wachsen, sind nicht einfach nur Sträucher, sondern nehmen die Ausmaße großer Bäume an; die Orangen von Muro und Aregno werden als die schönsten und saftigsten im Mittelmeerraum angesehen.
Natürlich gibt es auch handwerkliche Erzeugnisse, durch die Möglichkeiten eines kleinen, privilegierten Gebiets charakterisiert. Zu dem Zauber dieser freundlichen Landschaft, die zwischen Berg und Meer eingebettet liegt, kommt zur Freude des Besuchers noch die Schönheit der Dörfer hinzu. Wie Pigna, Muro und Zilia in der Tiefe eines Tals eingenistet, wie Belgodere, Feliceto und Santa Reparata an einer Küstenstraße sich hinziehend oder auf einem Höhenzug sitzend wie Monticello oder Corbara bieten sie einen freundlichen Anblick, der durch den Empfang von Seiten der Bewohner bestätigt wird.
Man hat zuweilen die Landschaften der Balagne und insbesondere die Lage von Corbara betreffend Vergleiche mit Nordafrika angestellt.
Spräche man in diesem Zusammenhang von Andalusien, wäre dies vielleicht richtiger. Der früher weiß schimmernde Verputz, der die Häuser bedeckte - eine im übrigen Korsika unbekannte Zierde - hat sehr viel mit diesen spielerischen Vergleichen zu tun.
Es ist in dieser Hinsicht bedauerlich, daß man in unserer elenden Zeit diese Gewohnheit, die noch dazu wenig Mühe macht, nämlich die Mauern mit Kalk zu tünchen, aufgegeben hat. Ein Anstrich mit dem Maurerpinsel würde dem Tourismus helfen: Man vergleiche nur die griechischen Inseln, die Algarve . . .
In Corbara, wie in den meisten kleinen Städten der Balagne, sind Landschaft und Umgebung bedeutsamer als die traditionelleren Sehenswürdigkeiten. Die Pfarrkirche besitzt einige Gemälde und Figuren, die Kenner des 17. Jahrhunderts interessieren können; der Hochaltar, eine prächtige Arbeit aus Marmormosaik, weist alle Schnörkel und überladenen Verzierungen eines entfesselten Barock auf.
Ein großes Haus in der Nähe der Kirche wird als »Haus der Türken« bezeichnet (seine Geschichte findet man in den Angaben über L'Ile-Rousse im Zusammenhang mit »Davia, Kaiserin von Marokko«). An dem Hang gegenüber L'Ile-Rousse (man folgt der Straße D. 263 nach Santa Reparata) erhebt sich eine mehr oder weniger restaurierte Burg: Es handelt sich um ein großes befestigtes Schloß, das der Familie Savelli gehörte, deren Name mit der Geschichte des Landes verbunden ist; hier beschloß Pasquale Paoli am 15. April 1748, eine neue Stadt zu gründen, die eine Konkurrenz für die aufständischen Städte Calvi und Algajola sein sollte: L'Ile-Rousse.
Weniger als 2 km südlich der Stadt auf der N. 844 erhebt sich ein wenig abseits der Straße ein weißer Glockenturm über den Olivenbäumen. Durch eine Pforte gelangt man zu großen Klostergebäuden, die keinen besonderen architektonischen Charakter aufweisen.
Schon bald begegnet man einem Dominikaner in weißer Ordenstracht, es sei denn, daß er gerade in einem Arbeitsanzug an einem kleinen Citroen herumbastelt. Lächelnd führt der Klosterbruder den Besucher umher: Er läßt ihn seine Blumen bewundern, die üppig im Schutz der Mauern des Klosters wachsen, die Kirche, in der es mit Ausnahme einer Pieta und eines Kruzifixes, die beide von einem Mönch des 18. Jahrhunderts in bäurisch-einfacher Art aus einem Olivenstamm geschnitzt wurden, keine Kunstwerke gibt, und dann ... die erstaunlich moderne Küche.
Das Kloster von Corbara nimmt nämlich zahlende Gäste auf: Männer, Frauen, Familien, die für einige Zeit dem überspannten Jahrhundert entfliehen wollen.
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