Forcalquier
 
 
 
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Berichte über Forcalquier

 

 

 

 

 

Überraschung in der Ölboutique / Sept. 2001

Ein Lieblingskoch taucht wieder auf. Und wo? Auf der Speisekarte einer einfachen Kneipe in einem gottverlassenen französischen Dorf.

Manche Nachrichten werden als Gerücht geboren. Es war wohl der Mistral, der es transportierte: Da oben, in der Haute Provence, soll eine originelle Beiz sein. Eigentlich sei es kein Lokal, sondern ein Laden, in dem sie Olivenöl verkaufen. Oder besser: eine Ölboutique.

Gott ja, Olivenöl verkaufen sie gern und überall. Oft sogar in einem schicken Ambiente. Ich kenne so eine Boutique in Straßburg. In einer Gasse an der Place Gutenberg, direkt neben einem erstklassigen Weinhändler. Das Öl wird ähnlich angepriesen wie Wein. Von zwei Dutzend verschiedenen Ölmühlen kann man dort Öle kaufen, aus Frankreich, Italien, Spanien, Griechenland, Marokko, Israel, auch Olivenpaste, schwarz und grün, sowie alles, was sonst mit südfranzösischer Küche zusammenhängt.

Das Gerücht verdichtete sich, wurde konkret, dann wusste jemand die Adresse: in Forcalquier.

Sensationell war hier bisher nur der Friedhof.

Ich war vor vielen Jahren mal in Forcalquier. Es war kalt und trostlos. Giono-Land, mit Husaren auf den Dächern und mageren Ziegen auf den Wiesen. Wollte ich nicht begraben sein, sagte ich damals, obwohl sie einen sensationellen Friedhof haben.

Denkmalgeschützt, mit haushohen Buchsbaumhecken, kantig geschnitten. Außerdem ist Forcalquier weit weg. Egal, von wo man kommt, es ist zu weit.

Aber nicht mehr so trostlos. Die Popularität der Provence hat auch hier für Aufschwung gesorgt. Kneipen und Kleinrestaurants jede Menge. Oben, hinter der Kirche fünfzig Meter bergauf, sitzen Touristen und Handwerker an langen Tischen. Aber es sind zwei Kneipen, die ihre Gäste fast mit Tuchfühlung auf der Straße unterbringen. Links gibt's riesige Salatschüsseln und Pommes, während rechts ...

Also: Der Laden heißt Oliviers & Co. Wie in Paris, Brüssel und Straßburg. Die Boutique mit den Olivenprodukten ist tatsächlich schick zu nennen. Sie erreichen das heute durch ein mattbraunes Tütenimage, den Verzicht auf ordinären Kunststoff, durch dekorative Blechdosen und -kanister. Alles aufgeräumt und ziemlich teuer. Man kennt das von ökologischen Tee- und Kräuterstuben. Die erste Kartoffelboutique ist wahrscheinlich längst auf dem Kurfürstendamm installiert.

Nachdem wir an einem Tisch mit verschwitzten Gipsern unsere Plätze gefunden hatten, studierten wir den Speisezettel. Es gab eine salzige Méridiane und eine süße. 12 Euro die eine, 7,50 Euro die andere. Zusammen bildeten sie das Menü des Tages. Sonst gab es nichts. Rotwein 17 Euro die Flasche, Weißwein 22.

Aber da stand noch etwas auf dem Zettel. Das war der Name des Kochs, der sich die Rezepte ausgedacht und die Menüs zusammengestellt hatte. Der heißt Jean-Marie Meulien.

Jean-Marie gehörte in den siebziger Jahren zu meinen Lieblingsköchen. Damals war er Küchenchef des genialen Louis Outhier im Drei-Sterne-Restaurant L'Oasis in La Napoule.

Und jedes Mal, wenn ich am Halse Outhiers vor Glück heiße Tränen vergoss, führte er mich in die Küche, zeigte auf Jean-Marie und sagte: Er ist es, der für alles verantwortlich ist.

Dann wurde Thomas, der beliebte deutsche Oberkellner, von einem Schwulenkiller aufgeschlitzt, und Outhier verkaufte die L'Oasis an japanische Geschäftsleute.

Jean-Marie Meulien verzog sich nach Paris, wo er sich sofort zwei Michelin-Sterne erkochte. Dann verlor ich ihn aus den Augen.

Das war vor fünfzehn Jahren.

Und jetzt sehe ich seinen Namen auf einem bescheidenen Küchenzettel einer Olivenölboutique. Ich hoffe, der geneigte Leser kann sich meine Verblüffung vorstellen.

Mediterrane Kost mit minimalistischem Charme.

Und tatsächlich, das Essen war ungewöhnlich. Geradezu sensationell für eine so schlichte Kneipe hinter der Kirche in Forcalquier.

Denn was wir zu essen bekamen, besaß den minimalistischen Charme der spanischen Tapas, wurde auf flachen Tontellern serviert wie bei einer japanischen Gourmet-Zeremonie und schmeckte - absolut mediterran: hauchdünne, offene Ravioli mit Duxelles und tunesischem Öl; eine Crème catalane aus reduzierter Fischsuppe; Zucchini gefüllt mit Reis aus der Camargue und Öl aus Griechenland.

Danach vier verschiedene Desserts: Bratapfel mit Olivenkonfitüre, Orangensalat mit Hibiskusblüten und Pastis, Maronengelee (Blanc-manger) mit Konfitüre von Wassermelone - alles ganz wunderbar leicht und köstlich, bis auf ein Schokoladensoufflee, das mir zu süß war. Wahrscheinlich, weil es ohne Olivenöl auskommen musste.

Bemerkenswert an diesem Mittagessen waren mehrere Dinge. Einmal das Wiedererscheinen eines mir vertrauten Namens. Dann die verblüffende Tatsache, dass um uns herum genau so viele Esser saßen wie zwei Meter weiter bei der Konkurrenz, wo Salat dominierte und die Portionen riesig waren. Schließlich der Mut eines Wirtes, in seinen schlichten Kettenläden eine Küche anzubieten, die nichts weniger als hoch verfeinert genannt werden kann. Und da keimt bei mir der Gedanke, dass Olivier & Co. kein Einzelfall sein muss.

Vielleicht sitzt auch in Schleswig-Holstein jemand und weigert sich dickköpfig, die Geschmackserwartungen eines gleichgültigen Publikums zu bedienen.

Auch am Bodensee gab es vor fast dreißig Jahren einen unangepassten Küchenchef, und es gibt ihn heute noch: Albert Bouley im Waldhorn in Ravensburg. Da Ravensburg aber von allem so weit entfernt ist wie Forcalquier, war ich seit Ewigkeiten nicht mehr da. Wird bald gut gemacht.

Ölmenüs, Trüffelmenüs - bitte nur vor Ort genießen!

Es ist keineswegs ungewöhnlich, dass ein Koch seine Menüs (meistens ist es ein einziges) um ein spezielles Produkt herum aufbaut.

Viele Feinschmecker fahren deshalb im November ins Piemont, um sich in den regionalen Restaurants die weißen Trüffel über alles hobeln zu lassen, was sie auf dem Teller haben.

Besonders populär sind Guido in Costigliole d'Asti (Tel. 0039-0141/96 60 12, mittags und sonntags geschl.), La Contea in Neive (Tel. 0039-0173/671 26, während der Trüffelsaison tägl. geöffnet), Da Cesare in Albaretto delle Torre (Tel. 0039-0173/52 01 41, Di. und Mi. geschl.).

Selbstverständlich wird auch mit den schwarzen Perigord-Trüffeln ein ähnlicher Aufwand getrieben. Deren Saison dauert länger, und die Produktion ist größer, also gibt es spezielle Trüffelmenüs nicht nur in Frankreich, sondern auch bei uns, in der Schweiz und wahrscheinlich auch in China, woher ebenfalls Trüffel importiert werden, welche allerdings von geringerer Qualität sind.

Ohnehin ist es ratsam, solche Menüs nur dort zu bestellen, wo das Hauptprodukt gefunden oder produziert wird, weil die regionalen Köche sich damit besser auskennen als ihre Kollegen in Norwegen oder Schottland.

Bei uns könnte man deshalb Menüs rund um die Margarine erwarten. Vorspeise, Fisch, Fleisch, Gemüse und - vor allem - Dessert: mit feinster deutscher Margarine gekocht!

Ob das allerdings so viele Touristen nach NRW oder Berlin locken wird, wie das Olivenöl in die Provence, müsste sich erst herausstellen.

PS. Bei unserem letzten Besuch im März 2005, war die Lokalität geschlossen. Die Suche kann weitergehen.