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Wölfe in Frankreich

 

 

 

Wolfsgeheul im Mercantour

Nur eine Stunde Fahrzeit von der Küste entfernt, von den eleganten Boutiquen und Luxushotels, den gepflegten Parks und Nobel-Diskos des Jetsets - da lebt in der Berglandschaft des Mercantour eine andere, eine wilde, mörderische Welt. Die Welt der Wölfe. Vor zehn Jahren wurden hier die ersten gesichtet. Seitdem: Zehn Jahre Angst und Wut der Schäfer, deren Herden sie dezimieren.

Zehn Jahre Kampf der Naturfreunde um den Erhalt des unter Naturschutz stehenden Tiers. Nach zehn Jahren Wolfskrieg scheinen die Fronten verhärtet. Wie steht der Krieg heute, im "Jahr des Wolfs"?


Da hat er nur ein bitteres Lachen übrig, der Schäfer Jean-Claude Giordano, als wir ihm in der "Bar de Rome" neben dem Rathaus von Sospel erklären, dass die Naturfreunde in aller Welt das Jahr 2003 zum "Jahr des Wolfs" ausgerufen haben.

Giordano war vorhin im Rathaus, um beim Bürgermeister nachzuhören, wie es um seine Entschädigung steht. Im letzten Juli hat er 403 Schafe verloren, über ein Drittel seiner Herde. Als die Wölfe angriffen, stürzten die Schafe bei ihrer panischen Flucht in eine Felsschlucht, die "Besse de la Dea", vierzig Meter tief. Fast seine ganze Herde, und fast alle starben qualvoll. Die wenigen, die noch lebten, nachdem Jean-Claude zu ihnen hinab geklettert war, musste er mit seinen eigenen Händen töten.

Die Wölfe rauben ihm den Lebensunterhalt.

Es sind die groben, schwieligen Hände eines Mannes, der sein Leben lang hart gearbeitet hat, zuerst als Kind schon auf dem väterlichen Hof im Nachbarort Moulinet, gleich an der italienischen Grenze. Dann, seit Jahren, als Schäfer mit seinen eigenen Herden. Immer in den Bergen, die sich von hier an bis zum Felsmassiv des Mercantour erheben, zwischen den Flüsschen Bevera und Roya, bei Wind und Wetter, glühender Sonne, tiefem Schnee.

Die Städte der Cote d'Azur kennt er kaum. Nizza hat er eigentlich jetzt erst kennen gelernt, seit er so oft zu den Behörden muss. Wegen der Schafe, wegen der Entschädigung. Und dann natürlich auch wegen der Protestversammlungen der Schäfer aus der ganzen Region. Er ist ja nicht der einzige, dem die Wölfe den Lebensunterhalt rauben. Er war auch nicht der Erste. Und der Mercantour ist auch nicht das einzige Gebiet, in dem die Schäfer mit ihren Herden den Wölfen ausgeliefert sind.

Schafhirten aller Länder vereinigen sich im Kampf gegen den Wolf.

Bereits vor anderthalb Jahren versammelten sich in Nizza 250 Schafzüchter und Hirten aus Frankreich, Italien, Spanien, der Schweiz und Norwegen zu einer Protestversammlung, die mit Eingaben an die jeweiligen Regierungen endete. Die SchäferInternationale forderte darin die Neufassung der Konvention von Bern, die den Schutz für die vom Aussterben bedrohten Tierarten vorsieht, also auch der Wölfe.

"Die Regierungen," hieß es darin, "müssen endlich wieder den Menschen in den Mittelpunkt ihrer Umweltpolitik stellen."

Auch Hubschrauber hat Giordano nach dem Schafsmassaker zum ersten Mal so richtig von Nahem gesehen, als eine Reihe hoher Beamter von Präfektur und Gendarmerie, von Forst- und Hygieneämtem kamen, um das Desaster zu betrachten.

Kamen da auch Vertreter der Naturschutzverbände, die sich trotz aller Wolfsattacken auf Schäfer und Schaf für den für den Erhalt des Wolfsbestands im Mercantourgebiet weiter einsetzen?

"Die sieht man nie", sagt er." Da kenn' ich nur ein paar Namen von den Stellungnahmen her, die sie immer schreiben, wenn was passiert. Die schauen sich so was nicht an." Was sie sich nicht anschauen, beschreibt Giordano so: "Dann haben sie sie alle verbrannt. Abtransportieren ging ja nicht. Es war ja Ende Juli und sie hatten schon vier Tage tot in der Schlucht gelegen, tot. In der prallen Sonne. Das fing schon an zu stinken. Verbrannt mit alten Autoreifen, Kerosin drübergeschüttet. Alle meine Tiere. Alle meine Babys..."

Er sagt das nicht sentimental. Aber er hat ja gesehen, wie sie zur Welt kamen, wie sie aufwuchsen, hat Schwächere mit der Flasche genährt. Hatte mit ihnen gelebt, auf den Almen. Hatte für jedes einen Namen. Hatte ja mit ihnen zusammen gelebt in seinen Bergen.

"Echte Wölfe tun so was nicht, nur Bastarde richten Schaden an!"

Die Wolfsfreunde, freilich, sehen das alles anders. Das seien gar keine echten Wölfe, die da die Schafe reißen. Das müssten Bastarde sein, wilde Mischlinge aus, immerhin, echten Wölfen und wahrscheinlich Schäferhunden. Echte Wölfe würden zwar schon mal ein Schaf reißen, aber niemals mehrere, und immer nur gerade so viele, wie sie selbst zur Ernährung brauchen.

Giordano bestreitet das. Bei fünf von seinen Schafen waren Bisswunden entdeckt worden, nach den Gutachten von Veterinämedizinern eindeutig Wolfsbisse. Überreste eines vertilgten Schafs wurden jedoch nicht entdeckt. Giordano kennt das Wort "Lustmord" nicht, aber er sucht danach.

Die Wolfsfreunde ziehen auch das Erlebnis des Schäfers Aime Segur in Zweifel, der - ebenfalls im Mercantour - von einem Wolf angefallen worden war und schwer verletzt in ein NizzaerKrankenhaus gebracht werden musste.

Die Wolfsfreunde berufen sich auch in diesem Fall vornehmlich auf den berühmten Tierverhaltensforscher Konrad Lorenz und dessen Kernsatz:

"Noch in keinem einzigen Fall ist mit Gewissheit nachgewiesen worden, dass Wölfe spontan einen Menschen angefallen hätten."

In jüngster Zeit ist Lorenz jedoch als Zeuge etwas verdächtig geworden, seit einige seiner Auslassungen während des Dritten Reiches auftauchten. Wie die Zeitgeschichtler Räder, Kubillus und Talkenberg in "Die Männer hinter Hitler" -nachweisen, habe sich der spätere Nobelpreisträger 1940 vehement für die Rassenpolitik eingesetzt und die "Ausmerzung alles ethisch Minderwertigen" gefordert.

Schrieb Wolfsfreund Konrad Lorenz ein "Gefälligkeitsgutachtem ?

Somit könnten Lorenz' Darlegungen über den Edelmut des Wolfs als "Gefälligkeitsgutachten" für den Wolfsfreund Adolf Hitler angesehen werden: Hitler ließ sich von engen Freunden gern "Wolf" nennen, taufte sein Hauptquartier "Wolfsschanze" und die von ihm aus dem Boden gestampfte Autostadt "Wolfsburg".

Im Widerspruch zu den Thesen der Wolfsfreunde belegen erst kürzlich mit Nachtsichtgeräten gedrehte Videos, dass Wölfe tatsächlich Schafe aus offenbar reiner Angriffslust reißen - nämlich ohne anschließend zu deren Verzehr zu schreiten.

Die Wolfssympathie hat den französischen Staat - den Steuerzahler bislang allein für Entschädigungen an Schäfer insgesamt über fünf Millionen Euro gekostet, außerdem schlägt ein "Beraterprogramm", das bei den Schäfern für "mehr Verständnis für Wölfe" sorgen soll, mit fast anderthalb Millionen Euro zu Buche.

Giordano jedoch wartet bei unserer letzten Begegnung immer noch auf seine Entschädigung - neuerdings 150 Euro pro verlorenem Schaf.

Inzwischen regt sich Widerstand auch auf politischen Weidegründen.

Christian Estrosi, Parlamentsabgeordneter für Nizza, fordert einen Untersuchungsausschuss, der "energische Maßnahmen gegen die Wolfsplage" entwickeln soll.

 

http://perso.wanadoo.fr/midy/