Grotte Chauvet
 
 
 
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Höhlen in Frankreich

 

 

 

Grotte Chauvet

 

"Grotte Chauvet" (Chauvethöhle) über dem Ardèche-Tal

 

Kurzinfos

Adresse

Geöffnet
Ab 2005

Führung

Beleuchtung

Länge der Höhle

Historie

Beschreibung

Die Sixtinische Kapelle der Steinzeit

Vor sieben Jahren wurden in der Grotte Chauvet erstaunliche Felsmalereien entdeckt. Noch immer geben sie Forschern viele Rätsel auf.

Vor etwa 32 000 Jahren tauchte ein Jugendlicher seine Hand in roten Lehm und drückte sie gegen eine Höhlenwand, direkt neben die vier kräftigen Striche, die eine Bärenklaue dort hinterlassen hatte. Die Idee fand Nachahmer: Das Bild eines Bisons, zusammengesetzt aus roten Handabdrücken, schmückt eine weitere Wand in der "Grotte Chauvet" (Chauvethöhle) über dem Ardèche-Tal in Südfrankreich. Der eigentliche Schatz jedoch liegt tief verborgen in der Grotte, deren Wände mit meisterhaften Wandgemälden verziert sind.

 

Erst vor sieben Jahren entdeckten drei Hobby-Höhlenforscher die Schätze der Grotte Chauvet. Die Fachwelt war begeistert: So etwas hatte sie dem frühen Steinzeitmenschen nie und nimmer zugetraut.

"Diese Malereien haben unsere Theorien über den Haufen geworfen", sagt der französische Paläontologe Jean Clottes, der das Forschungsprojekt "Grotte Chauvet" leitet. Zusammen mit Fachkollegen sowie mit Botanikern, Geologen und Kunsthistorikern aus zehn Ländern erkundet er seit einigen Jahren die Höhle und ihre Malereien.

Die Wissenschaftler nehmen jeden Fußabdruck auf dem Boden der Höhle unter die Lupe, fertigen Aufnahmen von den Malereien an und untersuchen die Geologie des Gesteins. Und dabei beschäftigt sie immer wieder die Frage, was den frühen Homo sapiens dazu brachte, derartige Kunstwerke zu schaffen.

In Frankreich ist nun der erste ausführliche Forschungsbericht als Buch erschienen. "Alles wissen über die Grotte Chauvet" lautet der Titel übersetzt. Im kommenden Jahr soll er auf Englisch, vielleicht auch auf Deutsch erscheinen. Das Buch zeigt alle Malereien und beschreibt ausführlich, unter welchen Bedingungen die Maler und ihr Volk lebten.

Die Gemälde wurden vom frühen Homo sapiens geschaffen, der vor etwa 35 000 Jahren von Zentralasien her Europa besiedelte. Als die Kunstwerke in der Chauvethöhle entstanden, hatte der moderne Mensch bereits das heutige Frankreich besiedelt und die so genannte Aurignacien-Kultur entwickelt. Die Lebensbedingungen damals waren hart - es herrschte Eiszeit.

Clottes und sein Team sind noch mitten in der Bestandsaufnahme der Grotte. Nur zweimal im Jahr darf das Projektteam, ausgerüstet mit diversen Spezialkameras, zwei Wochen lang die Höhle erkunden. Die Befristung ist erforderlich, um die einzigartigen Malerien vor Schäden durch Atemdunst, Licht und Körperwärme zu schützen.

 

Außer den 420 Tierdarstellungen wurden zahllose Knochen von 400 Bären und 15 anderen Tierarten gefunden, sowie menschliche Fußspuren und steinerne Pfeilspitzen - eine Menge Material für die Forschergruppe.

Die Wissenschaftler versuchen herauszubekommen, wie und womit gemalt wurde. Rätsel gibt ihnen beispielsweise die Verteilung der Malereien auf Säle und Wände auf. Zahlreiche, bestens geeignete Flächen blieben unbemalt. Und abweichend von anderen bemalten Höhlen wird in der fast achttausend Quadratmeter großen Chauvethöhle kaum jagdbares Getier gezeigt.

Bei den vielen Fragen, die sich Clottes und sein Team stellen, geht es immer wieder um das Verhältnis des Steinzeitmenschen zu Kunst, Ästhetik und Religion. Mittlerweile streitet die gesamte Fachwelt zwischen Berkeley, Kapstadt und Paris nun darüber, ob der frühe Homo sapiens eher aus ästhetischen Gründen Kunst schuf oder ob er religiöse Motive hatte - ob die Grotte Chauvet zum Beispiel eigens für schamanische Rituale geschaffen wurde.

Bisher kannte man aus der Zeit von vor rund 30 000 Jahren lediglich Höhlenzeichnungen, die getrost als "primitiv" bezeichnet werden können.

Die berühmten Malereien von Lascaux in der Dordogne in Südwestfrankreich entstanden erst ungefähr zwanzigtausend Jahre später. In der Grotte Chauvet aber wurden die Nashörner, Löwen, Pferde, Leoparden und Mammuts schon mit Hilfe von Techniken gezeichnet, die andernorts erst viel später aufkamen: Perspektivisches Zeichnen, Schattieren, Komponieren großer Ensembles mit klarem Bildaufbau.

Nach Ansicht von Jean Clottes, der das Buch über die Chauvethöhle herausgegeben hat, war die Grotte ein Ort, an dem Priester den Kontakt zum Jenseits suchten. Sie bereiteten sich dort vor für den Übergang in eine andere Welt vor, die dem Menschen Hilfe bieten konnte. Clottes ist fest überzeugt von seiner Theorie: "Zweifellos war die Höhle ein sakraler Ort."

Der französische Forscher glaubt, dass die Kunstwerke von Schamanen stammen, die sich beim Malen mit Hilfe halluzinogener Substanzen in Trance-Zustände versetzten. Diese These vertritt er gemeinsam mit seinem südafrikanischen Archäologen David Lewis-Williams von der University of Witwatersrand in Johannesburg in einem Buch.

Mit ihrer Interpretation haben die beiden Wissenschaftler eine heftige Kontroverse in Fachkreisen ausgelöst. Widerspruch kommt vor allem von Forschern aus den USA und aus Großbritannien. Nicht jede Höhlenmalerei sei aus spirituellen Motiven geschaffen worden. "Das ist viel zu spekulativ", sagt beispielsweise Randall White von der New York University. Die Forscher, die die Chauvet-Grotte untersuchen und die einzelne Kapitel des Buchs "Alles wissen über die Grotte Chauvet" geschrieben haben, teilen offenbar Randalls Auffassung, denn sie erörtern Clottes These nur am Rande.

In einer Interpretation sind sich die Forscher einig: Für die Maler und ihr Volk waren die Bären ein heiliges Tier, zu dem auch spirituell Kontakt gesucht wurde. In einem Abschnitt der Höhle steht ein Bärenschädel auf einem großen Stein - offensichtlich von Menschenhand platziert. Nach Ansicht der Chauvet-Experten könnte es sich um eine Art Altar handeln.

Belege dieser Art mehren sich. In diesem Jahr wurde in der Höhle ein weiteres Gemälde entdeckt, das auf eine religiöse Funktion der Grotte Chauvet hinweist: eine gemalte Venus, deren Geschlecht sich ein Bisonkopf nähert.

Auch eine weitere Beobachtung lässt vermuten, dass die Grotte kein gewöhnlicher Ort war: Die reich verzierte Höhle hatte seltsamerweise so gut wie keine Besucher. Das haben die Forscher an den nach einmaliger Benutzung unberührt gebliebenen Feuerstätten erkannt. Außer den Höhlenbären haben vielleicht sogar nur die Maler und sechstausend Jahre später ein Jugendlicher mit seinem Hund die Höhle betreten. Die Forscher haben Fuß- und Pfotenspuren im Lehm gefunden, die sich entsprechend datieren ließen. Außerdem hinterließ der Junge mit seiner Fackel Kohlemarkierungen an den Höhlenwänden.

Bislang haben nur Clottes und sein Team sowie einige Gastwissenschaftler die Spuren aus der Steinzeit im Original gesehen. Normalsterbliche werden bis zum Jahr 2005 warten müssen, um einen Einblick in die "Sixtinische Kapelle der Steinzeit" zu erhalten. Allerdings müssen sie mit einem detailgetreuen Nachbau der Höhle vorlieb nehmen, der dann nahe beim Originalstandort eröffnet werden soll.

Die Planer wollen den Besuchern der Höhlennachbildung nicht verschweigen, dass die Grotte Chauvet noch viele Rätsel birgt. "Wir wollen auf keinen Fall eine Art Steinzeit-Disneyland", sagt Emmanuel Avon von der Tourismus-Behörde des Département Ardèche, in dem die Chauvethöhle liegt. "Uns geht es um eine ernsthafte Information der Besucher." Der Bauauftrag soll schon bald vergeben werden. Eine halbe Million Menschen werden pro Jahr erwartet.

Aber ein Erlebnis soll der Besuch in der falschen Höhle bei aller Seriosität doch werden: Wirklichkeitsgetreu werden die Besucher bei 14 Grad Celsius frieren und im unheimlichen Dunkel schaudern - ausgestattet nur mit flackernden Kopflampen. "Da tauchen dann auf einmal im Fackelschein diese riesigen, fast echt wirkenden Tiere auf, so als würden sie gleich aus der Höhlenwand heraustreten", sagt Emmanuel Avon.

Für Jean Clottes wäre das ganz im Sinne der Erfinder: Die glaubten nämlich, das Jenseits beginne hinter den Höhlenwänden und sei von Tiergeistern bewohnt.

Jean Clottes (Hrsg.): Tout savoir sur la Grotte Chauvet, Verlag Seuil, Paris 2001

Im Internet ist ein virtueller Rundgang durch die Höhle möglich:

www.culture.fr/culture/arcnat/chauvet