Les-Saintes-Marie de la Mer
 
     
   
     
     
     

 

 

 

 

 
   Zigeuner
 
     
 
     
 

Zigeuner in Les Saintes-Marie-de-la-Mer

 

 

 
 

Die Zigeunerwallfahrten nach Les Saintes-Maries-de-la-Mer

Ein Großteil der Reisenden, die heute die Camargue besuchen, kommt nicht wegen der Tiere oder wegen der besonderen Wasserlandschaft.

Sie kommen wohl auch nicht, weil van Gogh in Saintes-Maries gemalt hat, sie zieht vielmehr eine geheimnisvolle Tradition hierher. Es sind die Zigeunerwallfahrten, die den kleinen Ort in den letzten Jahrzehnten berühmt und zu einem Badeort gemacht haben — was allerdings dem Ortsbild nicht sehr zuträglich ist.

Die Wallfahrten von Ste-Marie haben eine lange Tradition, sie waren viele Jahrhunderte aber keine reinen Zigeunerwallfahrten; zumindest geht aus keinem zeitgenössischen Bericht hervor, daß sie für die Bohemiens, auch Egyptiens genannt, eine besondere Bedeutung gehabt hätten.

Zigeuner pilgerten im Mittelalter und in der frühen Neuzeit durch ganz Frankreich, denn da konnten sie einfach behaupten, sie seien unterwegs nach Santiago de Compostela, dem berühmten Pilgerziel in Nordwestspanien.

Damit war nicht nur ein Reisegrund gegeben, den alle Behörden respektierten, sondern als Pilger durfte man auch betteln, ohne dafür bestraft zu werden.

Zigeuner tauchten also auf dem Weg nach Spanien, aber auch auf dem Weg nach Mont-Saint-Michel in der Normandie, wenn sie von Osten nach Westen wandern wollten, überall in Frankreich auf.

Man beherbergte sie widerwillig oder gab ihnen eine Art Lösegeld, damit sie weiterzogen. Und die einzelnen Familien und Sippen verfolgten bald feste Routen, weil ihnen bekannt war, wo ein solches Lösegeld bezahlt wurde oder wo man ihnen gestattete zu nächtigen und ihnen Wegzehrung gab.

In der vom Wetter begünstigten Provence waren die Zigeuner beinahe überall nachweisbar. Nur in wenigen Orten wurden sie mit Waffengewalt verjagt.

Gaspard de Simiane stiftete sogar im 17. Jahrhundert eine hohe Summe für diejenigen Zigeunerinnen, die sich zum Christentum bekehrt hatten. Die Bekehrungen waren eine Folge der Religionskriege.

Die Zigeuner scheinen sich offensichtlich mit einer besonderen Tradition der Provence beschäftigt zu haben, die für viele Orte zwischen Var und Vaucluse eine große Rolle spielt, und zwar mit der Legende, nach der im Jahre 48 ein Schiff mit Heiligen nahe der Rhöne-Mündung gelandet sein soll.

An Bord waren Maria- Jakoba, die Schwester der Jungfrau Maria, Maria-Salome, die Mutter der Apostel Jakobus und Johannes und Sarah, die Dienerin der beiden Frauen. Ferner Lazarus, seine Schwester Martha — sie wird später Tarascon von der Tarasque befreien —‚ Maria Magdalena und der Heilige Maximin, der erste Bischof von Aix.

Aus dieser Gruppe erkoren sich die Zigeuner bescheiden die Dienerin Sarah als Schutzheilige.

Angeblich deshalb, weil sie auf alten Darstellungen eine etwas dunklere Hautfarbe hatte als die versammelten Heiligen, sicherlich aber auch, weil sie als Wandervolk höchst unsicherer Zugehörigkeit zum Christentum nicht auf eine Schwester des Lazarus oder eine Verwandte der Jungfrau Maria Anspruch erheben wollten.

Die beiden Marien, bei ihrer Ankunft in der Provence nicht mehr jung und geschwächt durch die Seefahrt, stellten am Strand einen Altar auf und sollen bald gestorben sein; Sarah starb fast zur gleichen Zeit.

Als bei Grabungen, die 1448 König Rene vornehmen ließ, unter der damaligen Kirche von Saintes-Maries nicht nur eine kleine alte Marinorstatue gefunden wurde, sondern auch zwei Skelette, von denen ein «balsamischer Duft« ausgegangen sein soll, war damit für die ergriffene Gemeinde klar, daß man die Reste der beiden Marien gefunden hatte.

Im Jahre 1496 stieß man auf weitere Gebeine, die man für die der treuen Dienerin hielt.

Wahrscheinlich gibt es seit dem 16. Jahrhundert Zigeunerwallfahrten nach Saintes-Maries. Heute sind sie längst zu einer festen Institution geworden, und niemand fragt sich, ob die seltsamen und magischen Riten der Zigeuner, die in der Nacht vom 24. zum 25. Mai in der Krypta ausgeübt werden, christlichen Ursprungs sind.

So hat die malerische Prozession ins Meer viel eher antiken Charakter; schließlich ist Saintes-Maries einer der ältesten besiedelten Plätze an der provenzalischen Küste.

Hier befand sich schon vor der Ankunft der Griechen und vor der Gründung von Marseille ein ligurischer Handelsplatz, und Einheimische wissen zu berichten, daß vor der Küste eine große Stadt im Meer verschwunden ist.