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Feste in Südfrankreich nach Themen - Lindenblüten

 

 

 

 

Lindenblüten in Südfrankreich

Lindenbäume verschiedener Art wachsen in ganz Europa, aber nur das Klima der nördlichen Provcnce ist ideal für die stark duftende Sorte tilia platypllios.

Vor allem in dem kleinen Landstrich Les Baronnies, zwischen dem Fluß Eygues und dem Mont Ventoux, hat sich die Ernte der Lindenblüten zu etwas ganz Speziellem entwickelt.

Die hier wachsende Sorte wird nach einem der Dörfer der Gegend benivay genannt.

Die erste Frage der Uneingeweihten lautet: «Was tut man mit Lindenblüten?»

In alten Rezepten ist nachzulesen, wie man sie zum Süßen von Teigen, Konfekt und Eis verwendet. Sie sind auch Bestandteil mancher Parfums. In erster Linie werden die Blüten aber heute für Lindenblütentee, der in Frankreich tilleul genannt wird, verwendet.

Wenn man die getrockneten Blüten samt den blaßgrünen Tragblättern mit kochendem Wasser aufgießt, ist das Ergebnis ein köstlich duftender Tee von lindgrüner Farbe.

Der Aufguß wird auch in speziellen zweiteiligen Porzellangefäßen, den sogenannten tisaniers, zubereitet.

Ein guter Lindenblütentee ist ein wunderbar entspannendes und beruhigendes Getränk nach dem Essen und eignet sich auch als Getränk vor dem Schlafen.

Er wirkt eher beruhigend als stimulierend, hilft angeblich bei Migräne, Magenverstimmung und Sehwindelgefühlen und fördert die Blutzirkulation.

Tilleul wird in ganz Frankreich getrunken, wenn auch nicht mehr so häufig wie früher: Die meisten Bauernhöfe haben einen Baum für den Eigenbedarf.

Wer keinen Lindenbaum besitzt, kann Lindenblütentee auch in der Apotheke oder auf lokalen Märkten erwerben. Für letztere ist die Ernte von Les Baronnies bestimmt. In diesem Gebiet werden 90 Prozent der Gesamtproduktion Frankreichs kultiviert.

Inmitten dieser kleinen Region befindet sich das friedliche, malerische Dorf Buis-les-Baronnies an dem Meinen Fluß Ouveze.

Um das Dorf führt eine breite avenue, die in den schattigen Place des Quinconces mündet, auf dem Napoleon 1811 zu Ehren seines neugeborenen Sohn Platanen pflanzen ließ. Die Straße verläuft am Fluß entlang, von dem sie durch einen Damm getrennt ist.

Am ersten Mittwoch im Juli findet hier im Rahmen des alljährlichen Stadtfestes der Lindenblütenmarkt statt; zu dieser Zeit sind die ersten Blüten bereits geerntet und für den Verkauf getrocknet.

Höher oben im Tal werden die Blüten später geerntet, und die kleineren Märkte in La Charce und Villefranche-le-Chateau finden entsprechend später statt.

In Buis beginnt der Markt sehr früh, die landwirte treffen bereits ab sieben Uhr morgens ein.

Eine Stunde später drängen die Lieferwagen entlang des Damm., mache kommen mit Wohnwagen, andere mit Dachträgern, die voll bepackt sind mit Tilleul. Um neun Uhr herrscht bereits geschäftigesTreiben.

Der exotische Duft der Blüten hängt berauschend in der Luft. Die Bauern haben ihre Lindenblüten in Bündel, die sogenannen bourras oder trousses, gepackt — große, an den Ecken verschnürte Säcke, die 15 bis 20 Kilogramm wiegen.

Man erklärte mir, daß die Blüten samt der Tragblätter gepflückt werden müssen, sobald sie ganz geöffnet sind, aber noch bevor die Blüten abfallen, und sich die sogenannten boules (Samenschalen) ausbilden.

Die Blüten halten sich nur etwa zehn Tage, weshalb der richtige Zeitpunkt der Ernte sehr wichtig ist.

Einer der Händler erzählte mir, daß er 50 Bäume besitzt, aber nur zwei beerntet, weil die Marktpreise es nicht erlaubten, Hilfe für die Ernte anzuheuern.

Die Ernte ist auch vom Wetter abhängig und davon, wieviel Zeit die andere Arbeit auf dem Bauernhof in Anspruch nimmt. Viele Landwirte kultivieren auch Kirschgärten, die einträglicher sind, und wenn die Kirschen zur gleichen Zeit reifen wie die Linden blühen, bleiben die Lindenblüten auf den Bäumen.

Ein Baum beginnt erst nach sechs Jahren zu blühen, eine gute Ernte erzielt man aber erst nach 20 Jahren.

Der Ertrag eines Baumes liegt zwischen 40 bis 60 Kilogramm Blüten, aber das Pflücken ist eine anstrengende und komplizierte Arbeit.

Die Pflücker haben mit unzähligen Insekten zu kämpfen. Für ein Kilogramm getrockneter Lindenblüten benötigt man vier Kilogramm frische Blüten. Die Trocknung dauert gewöhnlich fünf bis sechs Tage. Unzureichend getrocknete Blüten werden auf dem Markt abgelehnt, da sie nicht haltbar sind.

Hier kann zwar jeder ein Bündel Lindenblüten erstehen, doch die wenigen Käufer sind in der Praxis meist Händler. Sie parken ihre Lastwagen unter den Platanen und breiten große Tücher auf dem Boden aus.

Neben jedem Lastwagen steht eine altmodische Waage. Ein Lastwagenfahrer erklärte mir, daß seine Firma die Lindenblüten nach Deutschland, in die Schweiz und nach Belgien exportiert und an Apotheken verkauft, und daß der Durchschnittspreis in den letzten Jahren bei 8 bis 10 Euro pro Kilogramm lag.

Der Preis wird eher durch Größe und Erscheinungsbild der Blätter als der Blüten bestimmt. Die Sorte Benivay wird aufgrund ihrer überlangen Blätter bewertet, was die Nachfrage nach Blüten aus der Gegend um Baronnies erklärt.

Seiner Ansicht nach ergeben die kleineren, um bis zu zehn Prozent billigeren Blätter einen viel besseren Tee.

Der eigentliche Kaufabschluß wird vom courtier, dem Vertreter der Firma, getätigt, den man herumgehen, die Produkte prüfen und Preise aushandeln sieht.

Sobald ein Handel perfekt ist, übergibt er dem Verkäufer eine Kaufabrechnung, und dieser muß den Einkauf über die Abzäunung auf die Waage des Käufers laden. Danach wird der Inhalt der Bündel zu den bourras der Käufer gebracht, und der endgültige Preis festgesetzt.

Der Verkäufer erhält eine Quittung, die er in der Firma des Käufers gegen einen Scheck eintauscht. Eine der Firmen stammt aus der Nähe von Vaison-la-Romaine, und die blonde Dame, die die Firma vertritt, lädt mich ein, das Werk zu besichtigen, sobald die Geschäfte hier abgewickelt sind.

Inzwischen laufen in den Gärten der Gemeinde die Vorbereitungen für die feierliche Angelobung der Ritter der Lindenblüten von Baronnies.

Die Ritter sind in lindgrüne Roben mit Umhängen in dunklem Olivgrün gekleidet und tragen dazu schwarze Hüte mit Lindenblütenbesatz.

Die neuen Ordensmitglieder erhalten mit einem Zitronenzweig einen Schlag auf die Schulter, dazu wird ein Glas Le Castillou gereicht — ein Getränk aus Lindenblüten.

Nach der Zeremonie lädt eine Animateurin alle Gäste zu einem Coupo-Santo- Vortrag mit Versen des provenzalischen Dichters Frederic Mistral ein.

Da die Veranstaltung als Lindenblüten- und Lavendelmarkt angekündigt wurde, erkundige ich mich beim Bürgermeister von Buis bezüglich des Lavendels, da weit und breit keiner zu sehen war, obwohl die Provence berühmt ist für ihre Lavendelfelder.

Er antwortete mir, daß Lavendel hier zwar nicht mehr verkauft würde, daß man aber die traditionelle Bezeichnung des Marktes, der bereits 1808 gegründet wurde, beibehalten habe; in mehreren anderen Dörfern würden aber Lavendelfeste abgehalten.

Einige Tage später, als ich wegen der Olivenernte in der Nähe von Nyons war, besuchte ich eine Lavendeldestillerie, wo ich erfuhr, daß die Ernte oft erst gegen Ende Juli beginnt.

Der Bürgermeister stellte mich Jean-Verlaine Delaye vor, der die Landwirtschaft aufgegeben hat und im Comite de Promotion des Plantes a Parfums Aromatiques et Medicinales de La Drome Provencale mitwirkt.

Ein kleines Museum in Buis, La Maison des Aromes, wurde 1989 eröffnet, um Parfüms und Düfte aus regionalen Pflanzen zu bewerben.

Er bestätigte mir, daß die Lindenblütensorte aus Benivay die größten Blätter hat, welche wiederum die beruhigenden Wirkstoffe des Tees enthalten. Manche Käufer verwenden tilleul aus Baronnies, um den Geschmack minderwertiger Importware aufzubessern, indem sie sie in kleinen Kräutersäckchen vermischen.

In Baronnies erfahre ich von Jean-Verlaine, daß Heinrich IV auf Anraten seines klugen Ministers Sully viele Lindenbäume pflanzen ließ.

Sie haben eine Lebensdauer von bis zu 400 Jahren, verkümmern aber, wenn sie nicht geschnitten und gepflegt werden. Der Baumschnitt erfolgt während der Erntezeit. Die Ernte ist, ähnlich wie die traditionelle Weinlese, ein Fest für sich, an dem die ganze Familie mit Freunden und Nachbarn teilnimmt.

Jeder Einwohner von Baronnies hat zumindest einen Baum von seinen Vorfahren geerbt. Heute gibt es etwa 36.000 Bäume, die durchschnittlich 70 bis 80 Jahre alt sind. Neu ausgepflanzt wird nicht.

Die Gründe hierfür sind die ausländische Konkurrenz, die hohen Kosten, die bedingen, daß nur Familienarbeit lohnend ist sowie die Tendenz, lukrativere Früchte wie Kirschen und Aprikosen zu kultivieren.

In Baronnies werden Lindenbäume niemals gefällt, aber in Roussillon zum Beispiel wird die zweite Rinde, die unter der äußeren liegt, das Splintholz, in Streifen geschnitten und als Diuretikum verwendet.

Lindenbaumholz wird auch zur Herstellung von Seilen verwendet. Es ist leicht zu verarbeiten, weshalb es bei Handwerkern für Jntarsien, bei Bildhauern und Bleistiftherstellern, auch bei Bootsbauern und den Produzenten von Hutschablonen und bei Lautenmächern sehr begehrt ist.

Es wäre vermutlich auch möglich, Öl aus den Samenschalen zu gewinnen und zu kommerzialisieren.

Ich befrage Jean-Berlaine über das Lied, das bei der Angelobung gesungen wurde, weil ich mich erinnerte, es bei der Segnung der Flaschen in Boulbon gehört zu haben.

Er erzählt mir, daß die Melodie ursprünglich aus Katalanien stammt, aber jetzt bei jeder Gelegenheit in der Provence gesungen wird und eine Art okzitanische Solidaritätsbekundung ist.

Am Nachmittag besuche ich mit der blonden Dame das Werk in Vaison. Die Firma nennt sich Herbissima und handelt mit allen möglichen Pflanzenprodukten.

Ich sehe Maschinen, um Pflanzen zu reinigen, zu zerkleinern und zu herbes de Provence zu vermischen und abzupacken.

Sie erzählt mir beiläufig, daß Lavendel in dieser Mischung nichts verloren hat, obwohl er von manchen Firmen mitverwendet wird.

Ich sehe unverkaufte Lindenblüten vom Vorjahr, die nun in Säckchen abgepackt werden. Dies scheint eine verbreitete Praxis zu sein, weshalb es sich empfiehlt, unverpackte Produkte in Apotheken oder bei den Markthändlern zu kaufen.

Dieser Markt ist so vergnüglich, da er sich von allen anderen unterscheidet und vor der schönen Kulisse von Buis ein unvergeßliches Schauspiel ist.

Obwohl Lindenblüten im kulinarischen Repertoire nur eine Nebenrolle spielen, stellen sie ein wichtiges traditionelles Erntegut dar — und weisen besonders in Les Baronnies eine Qualität auf, die weltweit unübertroffen ist.