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Paul Cezanne
Die künstlerische Entwicklung des Malers Paul Cezanne vollzog sich in einer Zeit, als der Impressionismus seinen Kampf gegen die historische Überlieferung in der Malerei aufnahm und den Eindruck der Natur, die Wiedergabe ihrer wechselnden Farbwerte entdeckte.
Die jungen französischen Maler zogen mit ihren Staffeleien aus der kühlen, sonnenlosen Gedämpftheit der Nordlichtateliers hinaus ins Freie.
Sie hielten den Eindruck, die Impression, fest, den die Gegenstände im schwebenden Schein des Augenblicks, in der Farbmischung von Licht und Schatten, Sonne und Wolken, im dämmernden Morgen, in der strahlenden Helle des Mittags und im sinkenden Abend auf sie ausübten.
Die Konturen wurden nicht mehr klar und scharf gezeichnet, sondern hoben sich nur durch den Ton von Farbe und Licht gegeneinander ab.
Cezanne, Sohn eines reichen Bankiers, kam als Student der Jurisprudenz zur Malerei.
Er folgte seinem Jugendfreund Emile Zola nach Paris und schloss sich hier der impressionistischen Bewegung an.
Wie alle seine Gesinnungsfreunde wurde er Jahr für Jahr von den großen Ausstellungen zurückgewiesen. Niemand dachte daran, die Bilder dieser "kurzsichtigen Verrückten" zu kaufen, und als ein Kunsthändler großmütig ein paar Werke von Cezanne abnahm, bezahlte er für das Stück 40 bis 100 Francs.
Heute werden dieselben Bilder mit Gold aufgewogen.
1877 war Cezanne auf der großen Pariser Impressionisten-ausstellung mit 17 Ölbildern und Aquarellen vertreten, wurde aber wegen seiner eigenartigen, auflösenden Technik, die bereits den Übergang zum Expressionismus vorbereitete, maßlos verhöhnt.
Tief verletzt zog sich der Maler in die Einsamkeit seiner heimatlichen Provence zurück, wo er in strengster Abgeschiedenheit seinen eigenen Stil, der den "Neo-Impressionisten" zum Vorbild wurde, entwickelte.
En detail
Cézanne ist der illegitime Sohn eines Parvenü, und es scheint, daß diese mit der bürgerlichen Moral des 19. Jahrhunderts schwer vereinbare Herkunft ihn zu einem konzessionslosen Individualisten gemacht hat.
Der Vater des Malers, Inhaber eines Hutgeschäfts, der Bankier geworden war, heiratete Pauls Mutter erst sechs Jahre nach seiner Geburt. Trotzdem erhält der junge Mann klassische Schulbildung und beginnt ein Rechtsstudium, aber nachdem er Zolas Freund geworden ist, entschließt er sich, die vorgezeichnete Karriere aufzugeben und Maler zu werden.
Es scheint aber, daß er stärker von Paris angezogen wurde als von einer frühzeitig erwachten Begabung. Nachdem er 1861 versucht hat, sich in der Hauptstadt niederzulassen, kehrt er im Jahr darauf nach Aix zurück, zweifellos weil er festgestellt hatte, daß seine Ausbildung an der Schule der Schönen Künste in seiner Heimatstadt ungenügend gewesen war. Er bleibt aber nicht, sondern kehrt fast umgehend nach Paris zurück.
Dort entdeckt er jetzt die zeitgenössische Malerei, schätzt sie aber nicht. Für ihn sind die Impressionisten „Schmutzfinken". Ihm ist Delacroix lieber, für den 1864 eine große Gedächtnisausstellung stattfindet, oder auch die Italiener und Spanier des Barock.
Er malt erotische Szenen („Die Orgie", 1864-1868, Sammlung Lecom-te), Porträts („Der Mann mit der Baumwollmütze, um 1865, New York, Metropolitan Museum) und Stilleben. Seine Palette ist noch dicht und dunkel, aber die Komposition ist schon kräftig und geometrisch bestimmt („Pendeluhr aus schwarzem Marmor", 1868-1870, Sammlung S. Niarchos).
Unter dem Einfluß Pissarros, der ihm rät, nach dem Motiv zu arbeiten, lichtet er ab 1869 seine Palette in entscheidender Weise auf. 1872-1873 lebt er in Auvers-sur-Oise in Pissarros Nähe, und das „Haus des Gehenkten" (1873, Paris, Museum der Impressionisten) beweist, was ihm Cézanne im Hinblick auf die Farbe verdankt, ohne daß er seine Vorliebe für monumentale Komposition aufgibt.
Nachdem er Van Gogh, Guillaumin und Docteur Gachet kennengelernt hat, gibt er seine Vorbehalte gegenüber den Impressionisten auf und nimmt an ihren Ausstellungen von 1873 und 1877 teil. Um diese Zeit malt er „Das Büffet" (1873-1877, Museum von Budapest), „Madame Cézanne im roten Lehnstuhl" (1877, Boston, Museum of Fine Arts) und das „Stilleben mit Vase und Früchten" (1877, New York, Metropolitan Museum).
Er ist von der Aufnahme durch die Kritik sehr enttäuscht und lehnt es künftig ab, mit den Impressionisten auszustellen, ohne indessen mit ihnen zu brechen. Aber seine Pinselführung entwickelt sich: Seit 1878 bedient er sich einer dichten Schraffur von links nach rechts, welche die Körper scharf abgrenzt. Seine Malweise wird immer flächiger. So bemüht sich „Estaque" (1882-1885, Paris, Museum der Impressionisten) nicht um Tiefenwirkung, das Bild besteht aus drei übereinander angeordneten Bereichen.
1886 bricht Cézanne mit Zola, weil das soeben erschienene „L'CEuvre" ihn zum Teil als Modell hatte.
Die Erbschaft seines Vaters enthebt ihn aller materiellen Sorgen, und nach seiner Heirat mit Hortense Fiquet erlebt er eine glückliche Zeit, in der er ungehindert über die Probleme seiner Kunst nachdenken kann.
In der Sorge, Poussin nachzuahmen und die Natur so zu behandeln, als sei sie um einen Mittelpunkt herum konstruiert, benutzt er die Farbe zur Strukturierung seiner Bilder: Porträts („Selbstporträt mit Palette", 1887), Landschaften („Mont Sainte-Victoire", 1885-1887, London, Nationalgalerie, und New York, Metropolitan Museum), Stilleben („Blaue Vase", 1883-1887, Paris, Museum der Impressionisten) und Badende, nach „Sainte-Victoire" eines seiner liebsten Motive („Große Badende", 1885-1887, New York, Museum of Modern Art; „Fünf Badende", 1885-1887, Basel, Kunstmuseum).
Er will jetzt etwas machen, das „so solide ist wie die Kunst in den Museen", und malt die monumentale „Frau mit der Kaffeekanne" (um 1890, Paris, Museum der Impressionisten), die Serie der „Kartenspieler" (1890-1895, New York, Metropolitan Museum; London, Institute Courtauld; Paris, Museum des Impressionismus).
Er malt wieder des öfteren „La Sainte-Victoire" (von 1898 bis 1900, Leningrad, Eremitage; von 1904 bis 1906, Moskau, Puschkin-Museum; Philadelphia, Kunstmuseum; Zürich, Sammlung Bühr-le) und „Die Großen Badenden" (1898-1905, Philadelphia, Kunstmuseum) in einer Dreieckskonstruktion, die an das Gebirge Sainte-Victoire erinnert.
Wie seine Stilleben besonders deutlich zeigen, bringt er den malerischen Raum an den Zuschauer heran („Stilleben mit Vorhang", 1898-1899), die flächige Darstellung reduziert die Distanz zum dargestellten Gegenstand, nur die Sorge um die Monumentalität bleibt erhalten.
Das Werk Cézannes ist gewaltig, etwa 900 Bilder und 400 Aquarelle, entsprechend ist sein Einfluß. Die Ausstellung Vollard im Jahre 1894 und die Herbstsalons von 1903 und 1907 haben seine Auffassung von Malerei weit verbreitet, Fauves und Kubisten haben sie für sich in Anspruch genommen, sie hat die avantgardistische Explosion Anfang des 20. Jahrhunderts ausgelöst.
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