|    Das Elsass / Märchen und Legenden
         Märchen und Legenden aus dem Sundgau und anderswoher.  Nahe bei Froeningen befindet sich eine Quelle, die sprudelnd der Erde entspringt: der Muttelebrunnen oder der                Schafsbrunnen. Zu diesem Ort gibt es einen Spruch und eine Legende. "Wer von diesem Wasser trinkt, wird                Froeningen nicht vergessen", behauptet der Spruch. Die Legende erzählt, dass zu Zeiten der ersten Kreuzzüge einst eine adlige Familie das Froeningen benachbarte Schloss bewohnte.  In ihren Diensten stand ein Waisenkind                zum Schafehüten. Täglich kam es mit seiner Herde an der Quelle vorbei. Und jedes Mal ging ein Lamm hin um zu                trinken. Die junge Schäferin merkte bald, dass das Lamm, das „Muttele", sich durch ein besonders schönes Fell                und durch eine ganz besondere Lebhaftigkeit auszeichnete.  Zu Recht schrieb sie dies den Kräften der Quelle zu und beschloss, es dem kleinen Tier gleichzutun. Sie liess sich auf allen Vieren an der Quelle nieder und                trank in langen Zügen das etwas übel riechende und auf der Zunge prickelnde Wasser. Als sie gerade aufstehen wollte, sah sie plötzlich wie eine schöne Frau in einen leichten Schleier gehüllt                und eine Krone tragend, aus den Tiefen der Quelle auftauchen. Noch ehe die Schäferin Zeit hatte zu erschrecken, sprach die Dame mit sanfter Stimme: Fürchte  dich  nicht,  ich  möchte  nur zu  deinem  Glück beitragen.  Versprich mir nur eines:Vergiss die Armen nie, wenn du glücklich bist. Die Fee zweifelte nicht an den guten Absichten der kleinen Schäferin,  wartete  also  nicht  auf deren  Antwort  und verschwand. Die Waise wuchs zu einer schönen jungen Frau heran. Sie war so schön, dass der junge Schlossherr, der von einem Kreuzzug heimkehrte, sich unsterblich in sie verliebte und sie zur Frau wollte. Dies begab sich zu einer Zeit, als Ritter und selbst Könige sich mit Schäferinnen vermählten. Die Hochzeit wurde kurze Zeit später unter grossen  Feierlichkeiten vollzogen.  Die neue Schlossherrin versäumte es nicht, sich zur Quelle zu begeben und sich bei der Fee zu bedanken.  Die Jungvermählten verbrachten ein paar glückliche Jahre, dann musste der Ritter sein Schwert wieder in die                Hand nehmen und ins Heilige Land ziehen. Die junge Schlossherrin wurde so Alleinherrscherin über das Dorf. Sie liess jedoch den weisen Rat der Fee ausser Acht und zeigte sich bald hart und stolz im Umgang mit ihren Untergebenen.  Deshalb verabscheuten sie die Bauern. Eines Tages, als sie es sich erlaubt hatte, ungerechterweise die Steuern zu erhöhen, revoltierten die Bauern, jagten die Herrin vom Schloss und zwangen sie, sich in                eine Hütte in der Nähe der Quelle zurückzuziehen. Dort lebte sie im Elend und überlebte nur dank der Almosen, die man ihr zukommen liess. Sie konnte sich noch                so lange über den Brunnen beugen und die Fee anflehen, die sich aber nicht zeigte. Allein und krank, von                allen verstossen, starb die so tief Herabgesunkene vor lauter Verzweiflung.  Bei seiner Rückkehr aus Palästina                vernahm der Ritter vom Tod seiner Frau und den dazu führenden Umständen. Mit gebrochenem Herzen verliess er das Land. Er starb bald darauf und man setzte ihn in der herrschaftlichen Gruft bei, wo schon seine Vorfahren ruhten. Das Schloss ist seit langem verschwunden. Es ist nur noch der Grundriss übrig, der in heissen und trockenen                Sommern dort zu erahnen ist, wo das Gras etwas gelblicher oder bräunlicher als in der Umgebung erscheint.                   |