Route du vin - Weinstrasse - im Elsass
Das Lob der oberelsässischen Weinstraße, an der sich (wir zitieren einen beliebigen Reiseführer) "die idyllischen Weindörfer aneinanderreihen wie kostbare Perlen einer Kette", ist in aller Munde.
Für viele Feriengäste ist eine Elsassreise schon fast identisch mit einer Fahrt auf der Route du vin, die allein zu ausgiebigem Schlemmen und Weingenuss unterbrochen wird.
Deshalb soll hier zuallererst eine Warnung stehen:
Die Weinstraße ist in den Sommer- und Herbstmonaten vor allem auf ihrem südlichen Teil hoffnungslos von Touristen überlaufen.
Es gibt mittlerweile eine Reihe prominenter Dörfer auf dieser Route, die sich von Juni bis in den Herbst hinein nicht mehr ansteuern lassen, ohne dass der Besucher lange Schlangen bei den Ortseinfahrten, nervende Wartezeiten bei der Einkehr in einem Restaurant und beängstigende Ansammlungen von Menschen bei der Besichtigung des Ortes in Kauf zu nehmen hat.
Gewiss, alle diese Dörfer sind festlich und fremdenverkehrswirksam herausgeputzt, und in den meisten von ihnen wird - was man angesichts der Besucherströme, die über die gut ausgeschilderten Straßen geschleust werden, kaum glauben mag - tatsächlich auch noch Weinbau betrieben.
Doch das alles ändert gar nichts daran, dass die vielbeschworene Idylle hier an der Weinstraße in den meisten Fällen zur reinen Kulisse verkommen ist, die den Blick auf die Eigentümlichkeiten und Liebenswürdigkeiten dieser Region eher verstellt als erleichtert.
Vergleichbares gilt leider auch für die weithin gerühmte Elsässer Küche, mit der wir uns im folgenden Kapitel beschäftigen werden.
Zwar geben sich viele der zahllosen Restaurants an der Weinstraße noch bewundernswert viel Mühe, was die Qualität des Speisen und Weinangebots sowie den Service betrifft.
Oft genug erweist sich aber der Druck des Massentourismus als stärker, und da gerät die berühmte Elsässer choucroute gamie zum ebenso lieblos eingelegten wie gekochten Sauerkrauthaufen, auf den dann nach dem Motto "Quantität vor Qualität" einige Dosenwürstchen, ein Lappen fabrikmäßig geräucherter Speck und etliche weniger appetitliche Teile vom Schwein geschichtet werden.
Von anderen elsässischen Spezialitäten ist nichts Erfreulicheres zu berichten.
Die Gänseleberpastete ist aus Polen, Israel oder sonst woher importiert, der Zwiebelkuchen aus Fertigteig, der frische Munsterkäse stammt nicht vom Bauern aus dem Munstertal, sondern aus dem Sonderangebot des nächstgelegenen Großmarkts, und der Edelzwicker ist ein x -beliebiger Verschnitt, dessen Abkunft sich an Ort und Stelle ebenso wenig herausfinden lässt wie seine einzelnen Bestandteile.
Diese Warnungen verfolgen nicht den Zweck, irgend jemandem die Elsass-Reise zu vermiesen.
Im Gegenteil: Nur wer sich nicht widerstandslos mit Klischeebildern abspeisen lässt, die eine nicht ungeschickte Touristenwerbung der Departement-Fremdenverkehrsverbände dem Elsass-Reisenden vorzugaukeln versucht, wird imstande sein, das echte Elsass so ungetrübt zu genießen, wie es diese in Europa einmalige Winzerlandschaft verdient.
Mehr noch: Wir behaupten, dass eine solche Genußssreise auch entlang der Route du vin führen kann, notfalls sogar in der Hauptreisezeit im Juli oder im August.
Man braucht nur ein wenig Phantasie und Mut, die ausgetretenen Pfade zu verlassen, und wird die Idylle finden - sie liegt oft überraschend nahe bei der trügerischen.
Unsere Beschreibung der Route du vin will dem Reisenden die Augen öffnen helfen; sie beschränkt sich deshalb dort, wo in der herkömmlichen Reiseliteratur Attraktionen gepriesen werden, oft ganz bewusst auf kurze Mitteilungen (oder gar Warnungen).
Statt dessen versuchen wir, so oft wie möglich aus dem Strom der Touristen auszubrechen und Anhaltspunkte für eine im besten Sinne vergnügte Fahrt entlang der Weinstraße zu zeigen.
Von Molsheim bis Obernai
Wer die Weinstraße brav von Norden nach Süden abfährt, kommt über Marlenheim und Avolsheim nach Molsheim.
Ende Juni gleicht das Städtchen weniger einem Teil der Route du vin als einer Kulisse aus dem Wilden Westen.
Zu diesem Zeitpunkt nämlich feiern die Molsheimer - und mit ihnen unzählige Cowboy- und Indianerclubs aus nah und fern - ihr Western-Volksfest.
Außerdem gibt es gleich zwei Weinfeste in Molsheim, ein kleineres am 1. Mai und ein großes Mitte Oktober, da ist das Städtchen garantiert von Touristen überfüllt; und wer das wirkliche Elsass kennen lernen möchte, sollte Molsheim in dieser Zeit entweder ganz meiden oder schnell Reißaus nehmen.
Ein Kuriosum ist die Molsheimer Jesuitenkirche.
Sie entstand in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in einer Stilmischung von Renaissance und Gotik.
Sehenswert ist der Marktplatz (Place de la Mairie) mit dem Zunfthaus der Metzger aus dem Jahre 1525, der Großen Metzig, in dem ein Museum untergebracht ist.
Über der Außentreppe ist eine schöne Mondphasen-Uhr angebracht; im Parterre hat sich eine Weinstube eingenistet.
Wer seinen Schoppen Riesling gerne an Tischen verkostet, wo die Gäste hautnah nebeneinander sitzen und wo der Wein rasch die Zunge lockert, hat hier den richtigen Ort gefunden.
Einen wohltuenden Gegensatz zu Molsheim bietet das an der Straße von Niederhaslach nach Obernai gelegene Winzerdorf Boersch.
Es liegt nur ein paar Kilometer abseits der großen Weinstraße und hat der Versuchung widerstanden, sich allzu unkritisch den vordergründigen Bedürfnissen des Tourismus anzupassen.
Um so erstaunlicher ist das deshalb, weil sich in Boersch die Maison Schaetzel befindet - das Stammhaus eines der angesehensten Winzerbetriebe des Elsaß.
Bevor man sich, am besten beim Mittagessen, von der Qualität der Schaetzel- Weine persönlich überzeugt (und sich in den Ausstellungsräumen des Hauses über Geschichte und Gegenwart des Weinbaus informiert), sollte man sich eine halbe Stunde Zeit für einen Bummel durch die malerischen Straßen nehmen.
Sie kreuzen sich am Marktplatz bei einem der schönsten Renaissancebrunnen des Elsass.
Am Chorturm der Kirche sind an einem Fries Reste der Romanik erhalten.
Nicht nur die stattlichen Wohnhäuser, die aus dem 17. und 18. Jahrhundert stammen, auch die Wehrmauer mit Unter- und Obertor bestimmen das malerische Ortsbild von Boersch.
Obernai
Die einstmals Freie Reichsstadt etwa zehn Autominuten östlich von Boersch, in der Rene Schickele zu Hause war, gehört zu den großen Attraktionen der Route du vin und ist entsprechend stark frequentiert.
Doch dieses Mal hilft alles nichts: Auch wer das hektische Treiben des Massentourismus nicht schätzt, darf Obernai auf keinen Fall auslassen.
Er wäre sonst an einer der schönsten Städte des Elsass vorbeigefahren.
Am besten versucht man außerhalb des historischen Zentrums zu parken und durchstreift zu Fuß das malerische Straßen- und Gassengewirr zwischen dem Marktplatz und der Place de l'Etoile.
Anders als die meisten Orte im Elsass ist Obernai von Zerstörungen durch diverse Kriege, aber auch von Großbränden (wie sie im Mittelalter in regelmäßiger Folge zu verzeichnen waren) verschont geblieben, und so findet der Besucher ein unversehrtes Stadtbild vor, das in seiner Geschlossenheit und lebendigen Vielfalt seinesgleichen sucht.
Keines der Häuser am Marktplatz gleicht dem anderen. In der Nähe steht der Sechs-Eimer-Brunnen "Puits-auxSix-Seaux" von 1579, der sogar noch reichhaltiger geschmückt ist als der Brunnen von Boersch.
Am Marktplatz steht die zum Restaurant umgebaute Kornhalle von 1554, "La Halle aux Bles" (Place du Marche, 67210 Obernai. Telefon: 88955609), ein Lokal, in dem trotz des Betriebes keine Massenkost serviert, sondern die traditionelle elsässische Küche vorzüglieh gepflegt wird.
Man probiere Reh- oder Wildhasenpfeffer, wenn sie auf der Karte stehen, oder auch den vorzüglichen Preßkopf.
Abends gibt es Flammenkueche vom Holzofen und dazu einen frischen Sylvaner oder Riesling (wir empfehlen in diesem Fall die Gewächse des Familienbetriebes Seilly).
Von Ottrott bis Kintzheim
In jedem Fall einen Umweg wert ist das hübsche Winzerdorf Ottrott (es liegt unmittelbar südlich von Boersch und vier Kilometer westlich von Obernai).
Hier wird einer der wenigen echten elsässischen Rotweine serviert (dunkler als die meisten Pinot noirs, die eher als Rose bezeichnet werden müssten), der berühmte Rouge d'Ottrott.
Am besten probiert man diese Rarität im Restaurant "Beau Site" (1, rue du General-de-Gaulle, 67530 Ottrott. Telefon: 88958061), in dem man auch höchst angenehm speisen - es gibt hervorragende Wild- und Fischgerichte - und übernachten kann.
In der Umgebung von Ottrott erheben sich zwei Burgen, Lützelburg und Ratsamhausen, der Elsberg und vor allen Dingen der Mont Ste-Odile (Odilienberg), den die Elsässer gern als ihr Nationalheiligtum bezeichnen.
Benannt ist der 763 Meter hohe Berg nach der heiligen Odilia: Der Name bedeutet "Tochter des Lichts" und verweist auf den Ursprung der Legende, der das im 7. Jahrhundert gegründete Kloster seine Gründung verdankt.
Die Geschichte beginnt mit einem versuchten Säuglingsmord: Der erste elsässische Herzog namens Eticho bekam eine blindgeborene Tochter, die er töten lassen wollte. Die Mutter floh mit dem Baby nach Burgund und ließ es taufen, wobei sich wie durch ein Wunder das Augenlicht einstellte.
Eticho holte darauf seine Tochter wieder heim.
Später versuchte er wie alle machtbewußten mittelalterlichen Herrscher, denen das Schicksal die Geburt eines männlichen Nachfolgers verweigert hatte, das Kind mit einem mächtigen Freier zu verheiraten.
Auch diesem Anschlag entging Odilia; sie floh von zu Hause quer durch das Elsass und auf die andere Seite des Rheins.
Vor ihren Verfolgern rettete sie ein zweites Wunder: Ein mächtiger Felsen schnitt den Häschern den Weg ab.
Nach diesem Ereignis gab der schurkische Herzog endlich klein bei; als Zeichen der Reue gründete er unter anderem das Kloster auf dem Mont Ste Odile - an einer Stelle, an der die Kelten um 1000v. Chr. ein Heiligtum errichtet hatten.
Teile der keltischen Umfassungsmauer - sie verläuft über eine Länge von mehr als zehn Kilometern um die Abhänge des Mont Ste-Odile herum - sind heute noch zu sehen.
An Barr, das man von Ottrott aus oder auch direkt vom Mont Ste-Odile erreicht, führt der Strom der Touristen, der auf der Weinstraße pilgert, zwar nicht vorbei, immerhin.
Er braust hindurch, ohne die Idylle allzu stark zu beeinträchtigen.
Wenige Meter abseits der Hauptstraße präsentiert sich Barr als verschlafenes, aber charmantes Winzerdorf, in dem es sich lohnt, einen kleinen Halt einzulegen.
Nahe am Marktplatz liegt ein kleines Museum für Möbel und Wohnkultur, das den merkwürdigen Namen "Musee de la Folie Marco" trägt.
Im 18. Jahrhundert baute ein Straßburger Rechtsanwalt namens Louis Felix Marco eine prächtige Villa, bei deren Finanzierung er sich aber übernahm, um schließlich im Wahnsinn, une folie, zu enden.
Das Museum präsentiert wertvolles Mobiliar des 18. und 19. Jahrhunderts, treffliche Beispiele alter elsässischer Wohnkultur.
Weiter geht es über die Ortschaften Mittelbergheim, über dem sich die Ruine der bis ins frühe 19. Jahrhundert bewohnten Burg Hohen-Andlau erhebt, und Eichhoffen nach
Andlau.
Hier steht eine der ältesten Elsässer Abteikirchen, die ihre Entstehung ähnlich wie das Kloster auf dem Mont Ste-Odile der Hartherzigkeit eines mittelalterlichen Despoten verdankt - dem Kaiser Karl den Dicken, der von seiner Frau Richardis nichts mehr wissen wollte und sie in die wilden Wälder verbannte.
Dort traf die Unglückliche eine gütige Bärenmutter, die sie im Andlautal auf einen schön gelegenen und gut geschützten Platz aufmerksam machte, der später als die Gründungsstätte der Abtei auserkoren wurde.
Der Westbau der Kirche stammt aus dem 11. Jahrhundert und wird von einem romanischen Figurenfries geschmückt.
Nach einem Rundgang durch die Stadt (man sollte dabei auf die berühmten Innenhöfe achten) empfiehlt es sich, in das Gasthaus zum Roten Ochsen einzukehren ("Au Boeuf Rouge"; 6, rue du Docteur Stoltz. Telefon: 88 08 96 26).
Übrigens: Wer nach dem Essen auch einen guten Schnaps schätzt, sollte im Elsaß unbedingt den Marc du Gewürztraminer probieren (die Einheimischen nennen ihn kurz und bündig Mare du Gewurz).
Mit diesem Tresterschnaps, aber auch mit anderen guten Obstwässerchen eindecken kann man sich bestens bei der Distillerie Massenez in Dieffenbach (Mo bis Fr 8-12 und 13.30-17 Uhr); der Ort liegt 15 Kilometer südwestlich Andlaus bei Thannville.
Die Route du vin verläuft weiter über Epfig nach Dambach-la- Ville.
Von diesem Ort mit seinen raffinierten Fach und Bundwerkbauten lassen sich Spezialisten für Holzarchitekturen bis heute inspirieren.
Oberhalb der Stadt ist die Chapelle St -Sebastian zu besichtigen.
Weiter geht es über Scherwiller und Kintzheim (und unter Umständen von dort auf die Haut-Koenigsburg).
St-Hippolyte bis Ammerschwihr
Das ruhige, bis heute von einer Mauer vollständig umzogene Städtchen St-Hippolyte gilt als zweite Domäne des Elsässer Rotweins.
Die meisten Touristen, die hier haltmachen, sind Gourmets, die wissen, wohin sie wollen: zu Munsch ins Hotel-Restaurant "Aux Ducs de Lorraine" (16, route du vin; 68590 St-Hippolyte. Tel. 89730009), in dem man trotz gesalzener Preise auf seine Kosten kommt.
Wer es gern billiger hat (und auch ein wenig familiärer), kehre im Gasthof "A l'Arbre Vert" ein - anders als im "Ducs de Lorraine" wird man hier auch ohne Vorbestellung einen Tisch finden.
Bergheim
Vor allem wenn man sich diesem Ort von Norden her nähert, sieht die Stadtmauer mit ihren sechs Türmen recht gefährlich aus.
Die mittelalterlichen Herren von Bergheim ließen in der Tat nicht mit sich spaßen; ihr finsterer Ruf verbreitete sich bis ins ferne Franken.
Der Nürnberger Stadtschreiber Sebald Spreitzer (ein früher Kollege des berühmten Hans Sachs) verliebte sich während einer Elsassreise einmal in die Tochter eines Bergheimer Gastwirtes, der allerdings im Verdacht der Irrgläubigkeit stand und sich deswegen mit seiner ganzen Familie vor dem berüchtigten Bergheimer Inquisitionsgericht verantworten musste.
Der listige Stadtschreiber rettete seine Geliebte und deren Angehörige vor dem Feuertod, indem er ein Bankett für einige Bergheimer Honoratioren (darunter den Inquisitionsrichter) gab und bei dieser Gelegenheit einen als Wahrsager verkleideten Komödianten auftreten ließ, der den versammelten Herren auf gut Glück sündhaftes Verhalten im Privatleben unterstellte.
Darauf erschrak der Richter so sehr, dass er versprach, er werde die ganze Gastwirtsfamilie laufen lassen, wenn er sicher sei, dass der Wahrsager seine Kenntnisse nur ja für sich behalten würde.
Spreitzer selbst hat diese Geschichte einer gelungenen Erpressung in dem bekannten Fastnachtsspiel Der fromme Richter der Nachwelt überliefert.
Kein Gourmet kommt daran vorbei, von Bergheim aus einen Abstecher über Guemar (ein oft unterschätztes, sehr schönes Winzerstädtchen) nach Illhaeusern zu machen - jedoch vorausgesetzt, er hat in der "Auberge de l'Ill" der Famillie Haeberlin (Rue de Collonges, Illhaeusern, 68150 Ribeauville. Tel. 89718323) rechtzeitig einen Tisch reservieren lassen - mindestens sechs Wochen im voraus.
Das Loblied von Küchenchef Paul Haeberlin (genauer gesagt von Paul, Jean-Pierre, Marc und all den anderen Mitgliedern der Familie) ist so oft gesungen worden, dass wir uns hier auf einige wenige Tips beschränken können.
Deren erster und wichtigster: Man sollte nicht am Freitag- oder Samstagabend herkommen (Montagabend - in den Wintermonaten den ganzen Montag - und Dienstag ist ohnehin geschlossen).
Zwar ist die "Auberge de l'Ill" immer ausgebucht, doch merkwürdigerweise wirkt sich der Betrieb an diesen beiden Tagen störender aus als während der restlichen Tage.
Das könnte daran liegen, dass die zahlungskräftigen Möchtegern-Gourmets von der anderen (also der deutschen) Rheinseite besonders gern am Freitag- und Samstagabend hier vorsprechen.
Zweitens: Wenn es sich einrichten lässt, meide man die Abende ganz und nehme statt dessen das Mittagsmahl hier ein - nicht nur, weil man da ein wenig billiger wegkommt.
Nachts sind bekanntlich alle Katzen grau, und nachts wirken auch alle Gourmet- Tempel mehr oder weniger festlich. Ihren wirklichen Charme aber entfaltet das außergewöhnlich romantisch gelegene Restaurant nur tagsüber; wer an einem schönen Sommertag seinen Aperitif draußen unter den Trauerweiden am Ill Ufer einnimmt (bitte nichts anderes als ein Glas Muskat oder Cremant d' Alsace bestellen - nichts Süßes!), der weiß, wovon wir reden.
Drittens: Haeberlins pflegen die internationale haute cuisine ebenso wie die bis zur höchsten Raffinesse entwikckelte regionale Küche.
Wer sich den Luxus einer Mahlzeit in Illhaeusern leistet, sollte ohne zu zögern die letztere wählen.
Den Hummer, die Lottemedaillons oder Rehnüßchen wissen auch andere Köche im kulinarischen Elsass so vorzüglich zuzubereiten wie die Haeberlins; doch regionale Gerichte wie Linsensalat mit Schweinsbacke und Gänseleber, Kaninchensalat (salade de lapereau), mit Trüffeln angereicherten Baeckeoffe oder von grünem Weizen begleitetes Rebhuhn bekommen Sie in dieser Qualität nur hier und nirgends sonst auf der Welt.
Ähnliches gilt übrigens für den Wein: Mag die erlesene Weinkarte (in Verbindung mit der gehobenen Stimmung, in die der Gast Haeberlins unweigerlich gerät) noch so sehr mit kostbaren Burgunder- und Bordeauxweinen locken, man bleibe standhaft und halte sich an die - von Sommelier Serge Dubs meisterhaft empfohlenen - Elsässer Weine.
Seit kurzer Zeit kann man in einem eigens hergerichteten Gebäude neben dem Restaurant auch komfortabel übernachten.
Zum obligatorischen Spaziergang nach dem Mittagessen fährt man am besten nach Ribeauville hinüber und von dort noch ein Stück weiter hinauf zur Ulrichsburg.
Die felsige, von allerhand Buschwerk bestandene Anhöhe, auf der sich die gut erhaltene Ruine erhebt, bietet die ideale landschaftliche Kulisse für eine beschauliche Nachmittags promenade.
Ribeauville selbst ist von der Anlage des Städtchens wie vom Ortsbild her - ein langgestrecktes Straßendorf - nicht ganz so malerisch wie andere Weinorte dieser Gegend.
Überlaufen ist es seiner prächtigen Fachwerkbauten und schönen historischen Fassaden wegen trotzdem, vor allem zur Hauptreisezeit und ganz besonders am ersten Septembersonntag.
Da findet der Pfifferdaj statt, das traditionelle Fest der Pfeifer und fahrenden Spielleute, für die die Gerichtsherren von Rappoltsweiler (der alte deutsche Name von Ribeauville) im Mittelalter sozusagen überregional zuständig waren.
Wer übrigens gut essen will und die rechtzeitige Anmeldung in Illhaeusern versäumt hat, kann in einfacherem Ambiente eine deftige regionale Küche genießen (Winstub "Zum Pfifferhüs", 14, Grand' Rue, Tel. 89736228).
Ganz vorzüglich ißt man übrigens auch in Riquewihr bei Francois Kiener in der "Auberge du Schoenenbourg" (2, rue de la Piscine, 68340 Riquewihr. Telefon: 89479228).
Auch hier sollte man sich unbedingt an die verfeinerte Küche des Elsass halten, an die Weinbergschnecken mit Mohn zum Beispiel oder an das Kaninchen mit eingemachtem (und so seiner allzu penetranten Schärfe beraubten) Knoblauch.
Mehr wollen wir hier zum Lobe Riquewihrs alias Reichenweier nicht sagen.
Die Touristenströme, die hier - mittlerweile jahraus, jahrein, ohne Rücksicht auf die Saison - durch die ohne Zweifel pittoreske Altstadt quellen, haben das ehemalige Winzerdorf in ein reines Freilichtmuseum verwandelt.
Zwar leben in den Häusern von Riquewihr tatsächlich noch echte Menschen und der Weinbau ist neben dem Tourismus nach wie vor eine wichtige Erwerbsquelle; doch das alles ändert nichts daran, dass sich der Besucher hier unweigerlich an Disneyland erinnert fühlt.
Die hübschesten Fachwerkhäuser wirken in diesem hektischen Betrieb wie Kulissen - und wer das Elsass ausschließlich in guter Erinnerung behalten will, macht um diesen Betrieb am besten einen weiten Bogen oder kommt im Winter.
Auch Kaysersberg ist ein beliebtes Ziel für Elsasstouristen und wird mit Vorliebe von den Bussen der Reisegesellschaften angesteuert.
Doch das Städtchen ist gottlob so groß, dass sich der Strom des Fremdenverkehrs verlaufen kann.
Sehenswerter als die Burg, die die meisten Touristen zielsicher ansteuern, ist die Pfarrkirche Sainte-Croix mit ihrem schönen romanischen Westportal.
Der von Meister Hans Bongart aus dem nahen Colmar gefertigte Hochaltar (1518), auf dem unter anderem Szenen aus der Passionsgeschichte in drastischer Lebendigkeit dargestellt sind, ist der einzige erhaltene Schnitzaltar im ganzen Elsass.
Von der Kirche kann man dann hinüberbummeln zur romanischen Weißbrücke. Sie ist mit ihrer Brustwehr und ihren Schießscharten eine Rarität in dieser Region.
Von Pierre Irrmann, dem Hausherrn des Kaysersberger Restaurants "Chambard" (9, rue du General de Gaulle; 68240 Kaysersberg. Tel. 8947 10 17) behaupten die Kenner, er würde die beste mousse au chocolat der Welt herstellen.
Wir haben es nicht nachgeprüft, aus dem einfachen Grund, weil uns das vorzügliche, aber alle in der modernen Küche übliche Zurückhaltung außer acht lassende Trio des halles des Hauses (Rind- und Lammfilet plus Kalbsniere mit verschiedenen Saucen) bereits vor dem Dessert kapitulieren ließ.
Irrmann pflegt eben nicht die phantasievolle Küche, wie sie beispielsweise von der Familie Haeberlin gepflegt wird.
Wer weniger aufwendig (dafür sehr viel preiswerter) speisen möchte, ist in der "Vieille Forge", 1, rue des Ecoles, Tel. 8947 1751, gut aufgehoben.
Der Weg von Kaysersberg zurück zur Route du vin führt über Kintzheim.
Wer das Elsass von seiner besten Seite und ohne allen touristischen Zierat kennen lernen möchte, sollte hier unbedingt Station machen.
Man lasse sich nicht von dem Panzer abschrecken, der vor der Ortseinfahrt als Mahnmal an den Zweiten Weltkrieg erinnern soll.
Statt dessen empfiehlt es sich, an der wuchtigen Stadtmauer entlang zu spazieren, die gepflegten Gemüsegärten im alten Wehrgraben zu inspizieren und sich dann im Ortszentrum umzusehen.
Da gibt es keine herausgeputzten Fachwerkhäuser, sondern ein freundliches Mit- und Durcheinander verschiedener Baustile.
Dass hier auf engem Raum gleich zwei Stadtschlösser beieinander stehen, bemerkt man erst auf den zweiten Blick.
Das Schwendi-Schloß beherbergt das elsässische Weinmuseum, das von Anfang Juli bis Ende September vor- und nachmittags geöffnet ist.
Sehr viel lebhafter geht es abermals ein paar Kilometer weiter in der ehemaligen Reichsstadt Ammerschwihr zu.
Der Ort wurde im letzten Weltkrieg fast völlig zerstört; stehen geblieben sind außer der (unbedeutenden) spätgotischen Kirche St-Martin nur ein paar Teile der alten Stadtbefestigung, darunter ist auch der seltsam (wie eine Narrenmütze) geformte Schelmenturm.
Wer Architektur aber nicht nur als eine Art Museumswissenschaft empfindet, wird von Ammerschwihr sicher nicht enttäuscht sein.
In dieser kleinen Stadt lässt sich vorzüglich studieren, wie sich auch Neubauten behutsam der Landschaft und den prägenden historischen Bauformen eines geographischen Umfeldes anpassen lassen.
Einen sehr guten Ruf in der Elsässer Gastronomie genießt "Aux Armes de France" (1, Grand' -Rue. 68770 Ammerschwihr; Tel. 89 47 10 12).
Vor allem ist es wohl das in Weinen am besten sortierte Lokal des Elsaß.
Turckheim bis Thann
In Turckheim, einem recht gut erhaltenen Städtchen, macht während der Sommermonate ein Nachtwächter allabendlich zwischen zehn und elf Uhr seine Runde - im Originalkostüm, versteht sich, mit Laterne, Horn und Hellebarde.
Die Szene würde noch viel mittelalterlicher und origineller wirken, wenn der Nachtwächter bei seiner Arbeit nicht auf Schritt und Tritt von Touristen verfolgt und dem Blitzlichtgewitter ihrer Kameras ausgesetzt wäre.
Auch in Turckheim wurden in den letzten Jahren herausragende Weinlagen als "Gran Gru" (Großes Gewächs) klassifiziert.
Vor allem der Turckheimer Brand ist berühmt.
Am nahen Colmar vorbei oder auch aus Colmar heraus wird die Route du vin nun in Richtung Eguisheim fortgesetzt.
Eguisheim gilt als einer der Orte, wo sich die elsässische Wohn- und Lebenskultur (wir müssen hinzufügen: noch!), unverfälscht studieren und bewundern lässt.
Vielleicht hat das etwas mit dem groben, für Autos ungeeigneten Pflaster zu tun, das die Straßen und Plätze von Eguisheim bedeckt und so gut zum Erscheinungsbild einer Architektur passt, die nur aus Fluchtpunkten zu bestehen scheint.
Der Ortskern ist von einem nahezu kreisrunden Wehrgang umgeben, der auf beiden Seiten von schmalen und winkligen Häusern bebaut ist, deren Bewohner schon im Frühjahr Unmengen von bunten Blumenkästen aufstellen.
Die Erker und Nischen, die von der Last der Jahrhunderte gedrückten Dächer - all das gehört zu den beliebtesten Fotomotiven der Region.
Nicht weniger gediegen als der ganze Ort präsentieren sich Interieur und Küche im "Caveau d'Eguisheim" (3, place du Chateau Saint-Leon, 68420 Eguisheim. Tel. 89410889).
Das bekannte (unserer Meinung nach stark überschätzte) Choucroute d'Alsace wird hier ebenso unverfälscht serviert wie der Kougelhopf (Guglhupf) zum Nachtisch.
Route des cinq chateaux
Eguisheim ist übrigens auch Ausgangs- und Endpunkt einer der kleinsten Ferienstraßen des Elsass, der Route des cinq chateaux.
Wer die große Route des Chateaux nicht kennt, kann das dort Versäumte hier en miniature nachholen.
Vor allem die malerisch auf einem Waldhügel gelegene Ruine der Pflixburg und die über dem Munstertal aufragende Hochlandsburg sind eine kleine Rundreise (und einen Waldspaziergang) wert.
Je weiter man nun auf der Route du vin nach Süden fährt, desto mehr verebbt der Strom des Massentourismus.
Weil das so angenehm ist, dürfte man eigentlich kaum verraten, dass der romanische Kirchenturm von Gueberschwihr (aus rosa Sandstein gebaut) mit Recht als der schönste im ganzen Elsass gilt und der gesamte Ort, an dem der Lauf der Geschichte seit 400 Jahren vorbeizuführen scheint, als architektonische Inkarnation des späten Mittelalters erscheint.
Freunde des Fachwerks kommen hier freilich nicht auf ihre Kosten; mit ihren fensterlosen Erdgeschossen wirken die meisten Häuser von Gueberschwihr, selbst das kleine Stadtschloss, eher abweisend und düster.
Dennoch strahlt der Ort eine fast magische Atmosphäre aus; sie lässt sich am besten in der Dämmerung eines späten Herbsttages genießen.
In Pfaffenheim, einem weiteren Winzerstädtchen, das den Besuch gerade deswegen lohnt, weil es noch nicht überlaufen ist, sollte man sich das ergreifende Vesperbild in der Kirche St-Martin anschauen, an deren Sandsteinquadern die Winzer im Mittelalter ihre Messer gewetzt haben.
Die Route du vin führt nun weiter nach Rouffach.
Die Stadt ist vom Weinbau ebenso geprägt wie von der Landwirtschaft und wirkt auf den ersten Blick nüchterner als die pittoresken Winzerorte zwischen Selestat und Colmar.
Und doch - in kaum einem der Winzerdörfer lohnt sich das nähere Hinsehen so sehr wie in Rouffach.
Am besten nimmt man sich etwa eine Stunde Zeit und bummelt durch das alte Viertel zwischen den Remparts (den Resten der ehemaligen Stadtmauer), der Rue du Marechal Lefebvre und der Rue des Bouchers.
Hier erhebt sich die Kirche Notre-Dame-de-l'Assomption, an der die Rouffacher geschlagene acht Jahrhunderte lang gebaut haben, weshalb man hier von der Romanik über die Gotik bis zur Renaissance verschiedene Stilelemente entdecken kann.
Hier stehen aber auch zahlreiche sehenswerte Stadtpaläste und Bürgerhäuser.
Unser Lieblingshaus finden Sie allerdings zwei Straßenzüge weiter, in der Rue Poincare Nr. 23.
Es ist das Haus zum Halbmond, dessen skurrile Außenfassade aus dem Jahr 1623 stammt.
Im Norden von Rouffach erhebt sich der Isenberg - und auf dem thronte, angeblich schon in prähistorischer Zeit, die Isenburg.
Auch um diese Festung bildete sich eine Sage, aus der hervorgeht, dass die Frauen im Elsass schon immer etwas resoluter waren als ihre Geschlechtsgenossinnen anderswo.
Im 12. Jahrhundert verschleppte der Burgherr eine schöne Rouffacherin; daraufhin belagerten die Frauen des Städtchens die Burg, und - was damals noch wichtiger war - sie ertrotzten sich das Recht, fortan in der Kirche auf der bis dahin den Männern vorbehaltenen rechten Seite sitzen zu dürfen.
Heute ist die Burg zerstört; auf ihren Ruinen steht ein im 19. Jahrhundert errichtetes Stadtschloss, das nicht von Frauen erstürmt wird, sondern seit einiger Zeit von Feinschmeckern.
Im Hotel Chateau d'lsenbourg betreibt das Ehepaar Dalibert das Restaurant "Les Tommeries" (Chateau d'lsenbourg, 68250 Rouffach. Tel. 894963 53).
Der junge Koch des Etablissements verwendet regionale Grundmaterialien und bereitet sie mit viel kreativer Phantasie zu.
(Ein Beispiel für viele Köstlichkeiten: in Riesling geschmortes Geflügel), Liebhaber derfoie gras kommen hier schon deswegen auf ihre Kosten, weil interessanterweise die Gänseleber in den "Tommeries", anders als sonst, als Hauptgericht serviert wird.
Von Rouffach aus führt die Route du vin südwärts weiter nach Guebwiller.
Stärker als andere Orte auf der Weinstraße ist diese Stadt von der Industrialisierung geprägt - und vom liberalen Geist der Französischen Revolution (von der man ansonsten im Elsass nicht viel wissen wollte).
"Frey leben - oder sterben! Im dritten Jahr der Freyheit!"
lautet die 1791 an der Turmuhr von St Leger trotzig angebrachte Inschrift.
Die Kirche, sehenswerter als die Hauptkirche Notre-Dame des Ortes (einklassizistischer Prunkbau), ist einer der am besten erhaltenen romanischen Sakralbauten im Elsass.
Das Musee du Florival zeigt eine reichhaltige Sammlung zu Geschichte und Kunst der Gegend.
Von Guebwiller fährt man weiter ins romantische Winzerdorf Soultz; von hier aus lohnt sich ein Abstecher nach Westen ins schön gelegene Dörfchen Jungholtz.
Auf dem Weg kommt man an der Residence Les Violettes (Jungholtz; 68500 Guebwiller) mit Restaurant vorbei.
Hier lässt es sich, zu gehobenen Preisen, gut essen (probieren Sie ein Fischgericht) und übernachten.
Die Residence hat zwölf Zimmer - jedes ist in einer anderen Farbe eingerichtet.
Über Cernay, wo 58 v. Chr. Cäsar Ariovists Germanenheer besiegte, erreicht man schließlich Thann - und damit das Ende der Route du vin.
Eine Legende beschreibt die Entstehung dieses Ortes.
Im italienischen Gubbio starb 1160 der später heilig gesprochene Bischof Theobald, der vor dem Ableben seinem elsässischen Diener Friedrich den Bischofsring vermacht hatte.
Als Friedrich dem Toten den Ring abstreifen wollte, löste sich der ganze Finger von der Leiche. Kurz entschlossen nahm Friedrich diese Reliquie an sich, versteckte sie in der Höhlung seines Wanderstabes und machte sich auf den Weg zurück in seine Heimat, ins Elsass.
Am Eingang des schönen Thurtales übernachtete er in einem Wald; den Wanderstab lehnte er dabei an eine Tanne, und über Nacht wuchs der Stab fest.
Gleichzeitig erschienen drei Lichter über der Tanne, die den Grafen von Pfirt (Ferrette), den Herrn der nahe gelegenen Engelsburg, herbeilockten.
Als er dieses Stab-Wunders ansichtig wurde, beschloss der Graf zusammen mit dem Diener Friedrich, den Wald an dieser Stelle roden zu lassen.
An diese Begebenheit erinnert in Thann bis heute das jährlich am 30. Juni abgehaltene Fest der drei Tannen, und die an dieser Stelle errichtete Wallfahrtskirche geht ebenfalls auf den Grafen zurück.
Gewidmet war der Kirchenbau, wie sollte es anders sein, dem Andenken des heiligen Theobald - ebenso wie die etwas später hier erbaute Kirche Saint Thiebault, die drittgrößte gotische Kirche des Elsass.
Sehenswert ist Saint Thiebault vor allem wegen seiner wunderschönen Fenster und der selbst für gotische Verhältnisse sehr reichhaltigen dekorativen Kirchenplastik.
Ungewöhnlich ist das dreiteilige Tympanon (Bogenfeld): in einem größeren sind zwei kleinere Tympana untergebracht.
Der Turmhelm der Thanner Kirche ist ein legendärer Streitpunkt zwischen Thann und Strasbourg: Welche Stadt hat den schöneren?
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