Canal du Midi bei Sete
Mit dem Canal du Midi, der sich über 240 Kilometer von Sete bis zur Garonne nach Toulouse schlängelt, hat sich ein alter Traum erfüllt: die Verbindung des Mittelmeeres mit dem Atlantik.
Schon in der Römerzeit ist über ein solches Monsterprojekt nachgedacht worden, aber realisiert werden konnte es erst aufgrund der Hartnäckigkeit eines Steuerbeamten aus Beziers, eines gewissen Pierre-Paul Riquet.
Der war von der Idee eines solchen Kanals so besessen, daß er aller Welt damit auf die Nerven ging. Er wurde ausgelacht, hingehalten, abgewimmelt, aber er ließ nicht locker, wandte sich brieflich an Colbert, den wirtschaftspolitisch wichtigsten Mann im Staate.
Selbst in Versailles amüsierte man sich nun über den verrückten Provinzler, diesen kleinen Steuereinnehmer, der die Meere verbinden wollte.
Aber plötzlich zeigte der König selbst, Ludwig XIV., Interesse. Der neue Hafen von Sete, den man gerade dabei war zu bauen, würde durch solch einen Kanal eine viel größere Bedeutung erhalten. Auf allerhöchste Einmischung hin bekam Riquet grünes Licht.
Sogleich wühlte er sich in seine Aufgabe hinein, bildete sich zum Geologen, zum Ingenieur, zum Wasserstraßenspezialisten aus. Und er kam auf geniale Ideen, löste zum Beispiel das Problem, wie das Jahr über für einen gleichmäßigen Wasserstand im Kanal zu sorgen sei, durch den Bau der Talsperren von St-Ferreol und Lampy in der Montagne Noire.
Fünfzehn Jahre lang stand der quirlige Perzeptor an der Spitze eines Arbeiterheeres von 12.000 Männern, ohne Zweifel war dies ein Jahrhundertunternehmen.
Nur fing leider der Sonnenkönig an, mit dem Geld zu knausern. Das Schloß von Versailles schluckte einen großen Teil der Staatsfinanzen, und im übrigen fand Ludwig diese Kanalgeschichte zwar ganz interessant, aber es war für ihn nicht das Wichtigste von der Welt. Das unterschied ihn von Riquet, der sein Lebenswerk bedroht sah und in seiner Verzweiflung alle Register zog.
Er rührte die Werbetrommel, lockte, etwas außerhalb der Legalität, Financiers mit Steuernachlaß. Als das nicht reichte, setzte er sein eigenes Vermögen ein, dann das seiner Frau. Fast alles, was das Ehepaar Riquet besaß, Häuser, Land, bewegliche Habe, wurde versilbert, damit weitergegraben werden konnte.
Riquet wurde schließlich krank über dieser Sisyphus-Arbeit.
1680 zog er sich entkräftet und zermürbt auf sein Landhaus zurück und starb, ein Jahr, bevor das erste Schiff von Toulouse aus startete.
Der Kanal erwies sich als Geniestreich. Wo er entlangführte, brach der Wohlstand aus. Für zwei Jahrhunderte hob ein Goldenes Zeitalter an. Kohle, Holz, Wein, Getreide - alles fuhr über den Kanal.
An seinen Ufern entstanden Gasthäuser, Kapellen und Bordelle. Ein sensationeller Postservice wurde eingerichtet:
Ein von drei Pferden gezogenes Schiff schaffte die Strecke Toulouse Sete in nur fünf Tagen.
Auf diesen Schnellbooten der Post durften auch Passagiere mitreisen. Die Stadt Besiers, die als Weinhandelszentrum besonders von diesem Verkehrsweg profitierte, hatte allen Grund, dem großen Sohn der Stadt ein Denkmal zusetzen. Auch die Prachtallee, die den Reichtum der Wein-Bourgeoisie eindrucksvoll demonstriert, trägt seinen Namen.
Die Eröffnung der Eisenbahnlinie Toulouse - Sete versetzte Riquets Kanal einen fatalen Schlag, die Güter wanderten auf die Schiene ab.
Heute spielt der Frachtverkehr fast keine Rolle mehr; erst der vor einigen Jahren aufgekommene Wassertourismus mit «houseboats» hat zu einer neuen Belebung in den Sommermonaten geführt.
Es waren Engländer, die mit den Kanalferien anfingen; die Franzosen sind von selbst auf diese Idee nicht gekommen, diese Art von Urlaub war ihnen zu langsam und zu undynamisch.
Auch heute bilden sie nur eine Minderheit unter den Kanal-Schippern. Die lange wirtschaftliche Vernachlässigung hat dazu geführt, daß der Canal du Midi größtenteils noch so aussieht, wie Riquet ihn hinterlassen hat.
Einige Schleusen wurden automatisiert, aber über weite Strecken bietet das epochale Bauwerk einen Abglanz des 17. Jahrhunderts. Auf anrührende Weise verbindet sich Funktionalität mit einem ausgeprägten Sinn für Schönheit: einsame Angler im Schatten der mächtigen Platanen, die der verrückte Riquet vor 300 Jahren pflanzen ließ, der spezielle Geruch des stehenden Wassers, surrende Libellen und quakende Frösche - offenbar war man einst imstande, technische Großprojekte zu bauen, die die Landschaft bereichert haben.
Canal du Midi in Beziers
Canal du Midi bei Bram
|