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Kanäle und Wasserstrassen - Ile de France

 

 

 

 

Die Marne

Der Fluss entspringt auf dem Langres­Plateau und mündet in der Nähe des hässlichen Pariser Vororts Alfortville in die Seine (über 5 km vom Ende der Ile St-Louis entfernt).

245 km der Marne und ihres Seitenkanals sind schiffbar.

Die Strecke führt durch 33 Schleusen und zwei Tunnels - einer - bei St Maur - ist 600 m lang, der andere (in Chalifert) 290 m lang - und endet bei Vitry-le-Francois.

Uns interessieren hier jedoch nur die 196 km bis Conde-sur-Marne und zum Aisne-Marne-Kanal.

Obwohl die Marne schon seit Jahrhunderten von Schiffen befahren wird, wurde sie erst 1865 kanalisiert. Der Seitenkanal (Canal Lateral; Baujahr 1845) soll einen sicheren und konstanten Schiffsverkehr zum Rhein und zur Saone ermöglichen.

Damals wie heute wurden hauptsächlich Agrarprodukte (vor allem Weizen) transportiert, gefolgt von Kohle und Schiefer.

Erst ab Nogent-sur-Marne verschönert sich das Landschaftsbild, und ab Lagny liegt alles Hässliche einer Stadt endgültig hinter uns. Nun werden die Piers und Seitenmauern aus Beton von dicht bewachsenen Flussufern und Trauerweiden abgelöst.

Gepflegte, moderne Bungalows stehen neben halb vergammelten Häusern. Alle liegen in sauber geordneten Reihen am steilen Hang.

Auf den Feldern herrschen Mais- und Kartoffelanbau vor.

Lagny hat ein Museum und zahlreiche Geschäfte. Außerhalb der Stadt unterhält der Touring Club von Frankreich einen Jachthafen mit vollem Service.

Oberhalb des Flusses bei Chalifert steht bedrohlich der Turm einer alten Festung, der an einen früheren Streit erinnert. Aus der Dunkelheit auftauchend, steigt man am Ufer hoch nach Coupvray, der Heimat von Louis Braille, dem Erfinder der weltbekannten Blindenschrift. Sein Elternhaus ist ein Museum, das im Sommer geöffnet ist.

Der Turm der Kathedrale St Feron führt Bootsfahrer in Richtung Meaux, der Hauptstadt von Brie, und zum erstklassigen Jachthafen in Le Marlin.

Die Stadt wurde im 4. Jh. ein Bistum; die Kathedrale, eine späte Ergänzung, wurde zwischen dem 12. und 16. Jh. in einem Stil gebaut, der am besten als "düstere Gotik" zu beschreiben ist. Im Inneren befindet sich das Grab von Bossuet (1627-1704). Als Bischof ("Adler von Meaux") unterrichtete er den Grand Dauphin.

Die alte Stadtmauer aus gallo-romanischer Zeit wurde durch die heute noch erhaltene Mauer von 1660 (erbaut von Ligny) ersetzt. Die von Le Natre entworfenen Gartenanlagen sind für müde Augen ein Genuss. Leider wurden die Wände des Gebäudes, das eine Seite des Parks begrenzt, mit Graffiti verunstaltet, einige Sprüche stammen aus der Mitte der 50er Jahre.

Das Musee Boussuet im alten Bischofspalast enthält eine schöne Sammlung prähistorischer Reliquien, Kunst aus dem Mittelalter und Informationen über den Prälaten.

Der vor kurzem angelegte Boulevard Jean Rose verläuft entlang der Stadtmauer zur Place Doumar. In der Mitte steht ein Kriegerdenkmal. Eines der denkwürdigsten Ereignisse des Ersten Weltkriegs, die Verstärkung der Marnefront durch Pariser Taxifahrer, wird jedes Jahr im September gefeiert.

Als die deutschen Truppen 1914 vor dem Durchbruch standen, wurden Männer und Munition von Paris nach Meaux gefahren, so dass die Invasion gestoppt werden konnte.

Eine Tafel an der Straße nach Soissons erinnert an den weitesten Punkt, den der deutsche Kommandeur im Ersten Weltkrieg erreichte.

Trilport ist ein schönes Städtchen mit kleinen Gärtnereien. Moderne Nachbildungen der alten Fachwerkhäuser sind von den wirklichen in St Jean les Deux Jumeaux nicht zu unterscheiden. Geschäfte und Anlegeplätze vorhanden.

Gleich nach der Eisenbahnbrücke in Poincy ist am linken Ufer ein Hafen für Vergnügungsboote mit allem Service. In dem breiten Flusstal sieht man viele Weizenfelder, aber kaum Wälder.

Getreidesilos kündigen La-Ferte­sous-Jouarre an, und der Geruch von Backwaren weist auf den landwirtschaftlichen Charakter des Ortes hin. Die Auswahl an Restaurants und Geschäften ist gut und um einiges größer, als man zunächst meint.

Am Fluss ist ein Sport- und Reitzentrum der Gemeinde einschließlich Tennisplätzen. Weniger als 3 km südlich von La Ferite liegt das Benediktinerkloster Jouarre, eine Gründung aus dem 7. Jh.; die heutigen Gebäude stammen aus dem 17. Jh. Besuchen Sie die karolingischen und merowingischen Gräber und besteigen Sie dann den Turm.

Wenn man auf dem Fluss entlang gleitet, glaubt man sich fast in den Häusern der Anwohner. Die meisten Vorhänge sind aufgezogen, es stört wohl nicht, wenn vorbeifahrende Fremde hineinschauen. Familien essen, lachen und reden miteinander.

Die Flussschleifen der Marne stehen keiner Fahrt im Vergnügungspark nach. Sie macht mehr Kurven und Biegungen als die größte Rummelplatzattraktion.

In Charly-sur-Marne tauchen allmählich Weinberge auf, doch das eigentliche Land des Champagners beginnt erst nach Chateau-Thierry. Von da bis zum Aisne-Marne-Kanal bieten in den meisten Städten Weinhändler Proben verschiedener Qualität an. Manche besonders clevere Winzer haben eine kleine Anlegestelle mit einem Weg zum "Probierraum", andere befestigen Anzeigetafeln an stadteigenen Piers.

Chateau-Thierry ist nicht zu übersehen. Der Name steht in "Blumenschrift" am Flussufer. Wegen ihrer geographischen Lage war die Stadt im Laufe der Geschichte Ort zahlreicher Plünderungen.

Sie ist nach dem merowingischen König Thierry IV. (8. Jh.) benannt und wird vom Schutzwall der alten Festung überragt. Von Karl Martell im 8. Jh. errichtet, bietet er einen schönen Ausblick auf das Tal.

An der Kirche St. Crepin aus dem 16. Jh. wurden in der Vergangenheit immer wieder Änderungen vorgenommen (beachten Sie die Einschüsse an der Fassade).

Ein berühmter Sohn Frankreichs wurde 1621 in Chateau-Thierry geboren: Jean de la Fontaine. Das Geburtshaus des berühmten Fabeldichters ist heute Museum.

1429 durchschritt Jeanne d'Arc die Porte St-Pierre.

Rund 5 km westlich der Stadt, auf dem sog. Hügel 204, trafen in einer Entscheidungsschlacht 1918 die zweite Division der amerikanischen und die 30. Division der französischen Armee auf die Deutschen.

Die Schlacht endete nach fünf Wochen mit dem Sieg der Alliierten. Auf weißem Marmor wird feierlich der Menschen gedacht, die an der Marnefront gefallen sind.

10 km nordwestlich von hier, an der Rte D-9, liegt Belleau mit seinen berühmten Wäldern. Halten Sie Ausschau nach zurückgelassenen Kanonen, die den Ort kennzeichnen, wo 1918 amerikanische Marineeinheiten gegen die Deutschen kämpften.

Davon zeugt auch ein Friedhof mit 2000 Gräbern.

Nach Chateau-Thierry gibt es keine Straßen und Häuser in der Nähe des Kanals. Die meisten Städte liegen nicht direkt am Fluss, sondern oben auf den weinbewachsenen Bergen. Für den Bootsfahrer, der die Einsamkeit liebt, ist dieses Flussstück eine wahre Freude. Nicht einmal die gelegentlich vorbeifahrenden Frachter stören.

Die Weingegend, aus der der Champagner kommt, zeigt sich nun in voller Pracht. Die Trauben, die an diesen sanften Hängen wachsen, erfreuen jeden Sektliebhaber. Die endlosen Rebenhänge liegen fast alle am nördlichen Ufer, wo sie am meisten Sonne bekommen.

Die Straße dort wird zu Recht La Route du Champagne genannt.

"Champagner" darf sich nur ein Wein aus ganz besonderen Trauben und einer ganz bestimmten Gegend nennen. Dieses Gebiet ist nicht groß: ca. 150 km lang und zwischen 300 und 2000 m breit. Der kalkhaltige Boden zwischen Epernay und Reims am Marneufer trägt die besten Früchte.

Schon seit gallo-romanischer Zeit war der Wein ein Produkt dieser Gegend, doch erst im 17. Jh. entdeckte der Mönch Dom Perignon das Rezept für den Champagner.

Er erkannte, dass bestimmte Weine infolge Dioxidbildung zu sprudeln beginnen, wenn sie zu Beginn des Frühjahrs nochmals gegärt werden. Die ersten Champagnerweine "explodierten" meist aus den Flaschen und wurden saute bouchon (Korkenknaller) und vin diable (Teufelswein) genannt.

Nachdem man stärkere Flaschen und bessere Korken entwickelt hatte, wurde dieses sprudelnde Getränk transportfähig, und jedermann konnte es genießen.

Der Champagner ist meist weiß, doch werden auch einige rose und rote Sorten hergestellt. Dabei werden rote und weiße Trauben gemischt. Diese Methode Champenoise wird genau eingehalten. Nach der Ernte werden die Trauben g­presst, und der Saft wird in Fässer abgefüllt.

Diese kommen zum Weinhändler, der die Gärung und den Mischvorgang zu Ende bringt.

Im Dezember erfolgt die erste von drei Abfüllungen, wobei das Beste aus dem Fass kommt und nur die Unreinheiten zurückbleiben. Bei der Abfüllung im Januar beginnt die eigentliche Coupage (das Mischen). Dabei werden andere, getrennt vergorene Trauben hinzu gegeben, die dem Champagner seinen unverwechselbaren Geschmack verleihen.

Die Mischungen mit Weinen aus einer Stadt nennt man vins de cru, aus verschiedenen Gebieten vins de cuvee.

Im Frühjahr kommt der Champagner nach der letzten Abfüllung in Flaschen. Ein liqueur de tirage (Zucker aufgelöst in altem Champagner) wird hinzugefügt, um dem Gärungsprozess und der Kohlensäurebildung nachzuhelfen.

In der nächsten Phase werden die Flaschen oft gedreht, um die Bildung von Bodensatz zu verhindern. Nach der Reifezeit (die Dauer bestimmt der Winzer) findet das remuage (Schütteln) und degorgement (Bodensatzauflösung) statt.

Schließlich folgt die dosage oder das Süßen des Weins mit dem liqueur d' expedient. Brut (roh oder sehr trocken), sec (trocken) oder semisec (halbtrocken) sollte auf jedem Etikett stehen und dem Verbraucher sagen, was er zu erwarten hat.

Ein neuer Korken (die besten werden von Bäumen in Portugal oder Spanien gewonnen) kommt in die Originalflasche, und je nach Qualität gärt der Wein bis zu 7 Jahre weiter.

Welch ein Genuss! Gekühlte Sektgläser stehen schon bereit. Das Papier und das Drahtgestell um den Korken werden entfernt. Ein leichter Druck gegen den Korken mit dem Daumen, der langsam um die Flasche kreist. Ein dumpfer Knall, ein leichter Rauch - und dann schäumt die goldene Flüssigkeit aus der Flasche.

Wer fühlt da keine Freude beim Anblick der winzigen Perlen, die im Glas nach oben steigen, die Nase kitzeln und dem gewöhnlichsten Anlaß eine festliche Atmosphäre verleihen.

Barzy-sur-Marne hat eine gedrungene normannische Kirche und ein großes Schloss, umgeben von herrlichen Weinbergen. Über den Feldern bei Rosay steht in abgeschiedener Pracht eine festungsartige Kirche mitten im eigenen Weinberg. Die Stadt ist nicht weit entfernt.

Dormans ist keine sehr schöne Stadt. Sie breitet sich an der Südseite des Tals aus und besteht aus einem Wirrwarr von Gebäuden und einem geschmacklosen Hafenviertel. Geschichtlich gesehen kann sie etwas mehr aufweisen: Das große Schloss wurde von Ludwig XIII. erbaut, und die Chapelle de la Reconnaissance steht zum Gedenken an die Marne-Schlacht.

"Narbengesicht", der Spitzname des amerikanischen Gangsters der 30er Jahre, wird auch mit einer Person aus dem 16. Jh. in Verbindung gebracht. Während der Religionskriege wurde der katholische Duc du Guise im Kampf gegen Henri III. nahe Dormans verwundet, daher der Spitzname le Balafre.

In Port-a-Binson bietet der Segelclub einen Anlegeplatz zum Übernachten. Chatillon-sur-Marne liegt fast 2 km weiter oben am Berg. Dort steht ein Standbild Urbans III., Papst von 1088 bis 1099, der aus Chatillon stammte (sein richtiger Name war Eudes de Chatillon). 1095 rief er zum 1. Kreuzzug auf.

Damery ist ein reizender Ort am Fluss. Eine lange Baumallee am anderen Ufer führt zur Auberge de la Chaussee, wo man köstlich speisen kann.

Für Champagnerliebhaber ist Epernay der Nabel der Welt, doch der wahre Kenner zwinkert erst beim Namen Hautvilliers, der Heimat von Dom Perignon (1638-1715), dem Vater des Originalschampus (Anlegeplatz in Cumieres, von dort ca. 1,5 km bergauf).

Heute werden hier die besten Trauben für Champagner angebaut. Der Mönch war 47 Jahre lang Kellenneister im Benediktinerkloster (zu besichtigen) und als "Meistermixer" bekannt. Die Anzahl der kleinen Schreine, die ihm gewidmet sind und Wände und Decken vieler Privat- und Gemeindehäuser der Stadt schmücken, ist beachtenswert.

Wo sonst als in der Geburtsstadt des Champagners werden schon die Zeiger der Stadtuhr durch Weinreben dargestellt. Auch die Sonnenuhr am Hotel de Ville ziert die Stunden mit einer Weinrebe. An den Häusern hängen schmiedeeiserne Schilder, auf denen Ausschnitte der Champagnerherstellung dargestellt sind.

Rund um den Berg von Hautvilliers sieht man, zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs, viele berühmte Namen: Dom Perignon, Moet et Chandon, Tattinger, Pol Roget.

Die Weinberge sind genau gegeneinander abgegrenzt, und die Vorfreude auf viel Schönes liegt in der Luft.

Auf zwei Wegen kommt man nach Epernay. Entweder 5 km Marne-aufwärts per Boot von Ecluse 15, Dizy, aus (die Strecke ab Epernay ist nicht schiffbar; man muss zur Schleuse zurück), oder man legt in Dizy an und fährt mit dem Fahrrad.

Natürlich kann das problematisch werden, wenn man, mit schweren Champagnerkisten beladen, zum Boot zurückkehren will.

Für die Bootsfahrer gibt es Anlegestellen beim Segelclub, und ein kurzer Spaziergang führt zu den Sehenswürdigkeiten (z.B. Champagnerproben und -verkauf).

Drei der berühmtesten Champagnerhändler, Moet et Chandon, Mercier und De Castellane, haben ihren Hauptsitz in Epernay. Wenn man an diesen drei "Quellen" seinen Durst noch nicht gelöscht hat, sollte man das Museum des Champagners und der Vorgeschichte in einem Schloss aus dem 19. Jh. besuchen.

Ab der Schleuse von Dizy ist die Marne nicht mehr schiffbar; man muss auf den Marne-Seitenkanal. Er zieht an schattigen Bäumen vorbei. Dahinter sieht man flache Felder mit Getreidesilos. Nach der hügeligen Champagne enttäuscht dieser Anblick, und obwohl in Ay nochmals Halt gemacht wird und Laurent Perrier in Tours-sur-Marne seinen Sitz hat, kann man leider die Weinberge vom Kanal aus nicht mehr sehen.