Sospel
 
     
   
     
     
     

 

 

 

 

 
  Barockfestival
 
     
 
     
 

Barockfestival in Sospel

 

 

 
 

Wie es einem charmanten 3000-Seelen-Ort gelingt, sogar Besucher aus Nizza und Cannes in die Seealpen zu locken.

Von Brigitte Jurczyk

Es geht mal wieder (nur) um das eine: um Liebe und Eifersucht, Begehren und unerfüllte Leidenschaft, um Ehre und Verrat.

Der alte Pimpinone hat seine junge Magd geheiratet, die ihm prompt auf der Nase herumtanzt, kaum dass sie den Ehering am Finger trägt. Telemanns Oper hat eine fantastische Open-air-Bühne gefunden: den Platz vor der Kathedrale Saint-Michel in Sospel. Die Nachbarin im Publikum seufzt: "Wunderschön!"

Ja, wirklich: Die Abendluft lau, der Himmel nachtblau, ein paar Sterne funkeln, Grillen zirpen, Schwalben drehen ihre Kreise, und der Marktpatz des barocken Bergdorfs in den französischen Seealpen hat sich in einen festlich-fröhlichen Opernsaal verwandelt. Einheimische wie Touristen genießen ausgelassen den gelungenen Abend und schlendern nach der Vorstellung in eines der Straßencafés, wo zu späterer Stunde auch Pimpinone und seine Vespetta auftauchen, dann allerdings ohne ihre bunten Kostüme, sondern in Jeans und T-Shirt. Mit dem Publikum und dem Barockensemble aus Nizza trinken sie ein Glas Rotwein auf die umjubelte Aufführung. In der ersten Juliwoche ist Sospel zusammen mit Breil sur Roya, Fontan, La Brigue, Saorge und Tende seit fünf Jahren Schauplatz des Barockfestivals "Les Baroquiales" . Es wird viel geboten für die Sinne: Konzerte, Opern, Ballett, Theater und Film. Die Kulissen könnten nicht schöner sein: Kirchen, Dorfplätze, Kapellen, alle im üppigen Stil des Barocks. Im stillen Hinterland der französischen Blumenriviera gibt es viele dieser Schmuckstücke zu entdecken.

Nichts ist für Gott zu schön, fanden die Katholiken im 17. Jahrhundert und ließen als Antwort auf die Reformation die prächtigsten Kirchen und Kathedralen bauen. Geld war im Überfluss vorhanden, denn die Dörfer im Royatal waren zu Reichtum gelangt: Sie liegen an einer lebenswichtigen Handelsstraße, der "route du sel", der Salzstraße, die sich von Norditalien bis nach Nizza zog. Und jeder, der hier im 16. und 17. Jahrhundert seine Waren transportierte, musste Zoll zahlen.

Das Geld wurde in den Bau von Kirchen gesteckt. Mit ihrem Pomp in Gold, Stuck und Marmor wollte die katholische Kirche ihre Anhänger neu an sich binden - eine Art Gegenreformation wurde gestartet. Nirgendwo sonst in Frankreich entstanden so viele barocke Baudenkmäler wie hier, einen Steinwurf von der heutigen italienischen Grenze entfernt.

Zur damaligen Zeit gehörte die Region zur Grafschaft Nizza und dem Königreich Savoyen. Und die Prinzen von Savoyen favorisierten den Barockstil, der aus Italien kam. Erst 1947 fiel der Landstrich vollständig an Frankreich.

Heute will Gilbert Bezzina der überragenden Barockkultur wieder neues Leben einhauchen. Vor fünf Jahren gründete der Violinist aus Nizza deshalb "Les Baroquiales". Besonderen Wert legt er bei seinem Kulturfestival auf Authentizität: "Wir möchten Musik aus dieser Epoche auf Instrumenten spielen, die auch aus jener Zeit stammen. So erreichen wir dieselbe Klangfarbe wie vor 300 Jahren, als die Werke in genau diesen Kirchen gespielt wurden."

Oft sind noch Original-Instrumente vorhanden, wie die italienischen Orgeln aus dem 18. und 19. Jahrhundert in fast jeder Kirche der Barockstraße durch die Alpes Maritimes. Klangwunder, die ihr Timbre über Jahrhunderte bewahrt haben.

Das gilt auch für das Duo aus Violoncello und Klarinette aus dem 18. Jahrhundert, dessen Töne den Raum der Waldkapelle Notre-Dame-des-Fontaines, ein wenig außerhalb von La Brigue, verzaubern. Die Talbewohner nennen sie liebevoll "die sixtinische Kapelle der Seealpen". Das kleine Gotteshaus ist mit seinen Fresken aus den 15. Jahrhundert wahrhaftig etwas Besonderes. Genau wie das Konzert der beiden jungen Musiker, die sich für ihren Auftritt in dieser Umgebung unter anderem ein Beethoven-Werk ausgesucht haben.

Aber der Glanz bröckelt: In der Eglise Saint-Sauveur von Saorge verwittern die kostbaren Wandmalereien, weil Geld für die Restaurierung fehlt. Vor zwei Jahren brach ein großes Stück Stuck aus den pastellfarbenen Kirchenbildern. Glücklicherweise kam niemand zu Schaden.

Lydie Staub weiß auch warum: "Ich glaube, dass wir unter Gottes Schutz stehen." Die Bewohnerin des mittelalterlichen Dorfes, das sich in die Felsen hoch über dem Fluss La Roya krallt, kümmert sich nach Kräften um den Erhalt der imposanten Kirche. Die Besitzerin eines kleinen Krämerladens wäscht die Altardecken, reinigt das Gotteshaus und spielt bei den Messen die Orgel. "Les Baroquiales", findet sie, sei doch eine gute Möglichkeit, Besucher in das abgeschiedene Tal zu locken.

Les Baroquiales - ACB
Pavillon des 4 saisons
Bd de la 1ère DFL
06380 SOSPEL

www.lesbaroquiales.org/